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Eine Generation voller Widersprüche als Zielgruppe

(Bild: © tetxu - stock.adobe.com)

Eine Generation voller Widersprüche als Zielgruppe

02. Februar 2024

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9 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

In den Medien wird die Diskussion über die Gen Z kritisch geführt. Sind ihre Vertreter – wahlweise beschrieben als Digital Natives, Klimaaktivisten oder Arbeitsunwillige – wirklich so anders als vorangegangene Generationen? Oder sind sie am Ende doch einfach nur die „neuen Jungen“, die die gleichen Bedürfnisse wie vorangegangene Generationen haben, jedoch im Mantel des aktuellen Zeitgeists? Für die Versicherungswelt hat AssCompact diese und daran anschließende Fragen – was wollen sie von einer Versicherung, und wie erreicht man sie – mittels Experteninterviews untersucht.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 02.02.2024

Zielgruppe für österreichische Versicherungsunternehmen?

Die Generation Z, zwischen 1995 und 2010 geboren, umfasst in Österreich circa 1,5 Mio. (Statista, 2023) aktuelle und zukünftige Versicherungskunden – bereits heute als Smartphone-„Heavy-User“, morgen als Arbeitnehmer und übermorgen als Immobilieneigentümer, aber auch als Impulsgeber für deutlich größere Kundenkreise. Sprechen wir von einer Beziehung, die sich über den Lebenszyklus eines Kunden erstrecken soll, müssen wir zwangsläufig an diese Generation denken. Sie darf nicht nur eines von vielen Kundensegmenten sein, sondern muss erklärtes Ziel von Marketing- und Vertriebsmaßnahmen vieler Unternehmen und insbesondere Versicherern mit ihrer branchenüblich kopflastigen Alterspyramide sein.

Während wir insbesondere im direkten Vergleich zu Deutschland bereits eine stärkere Auseinandersetzung mit der Generation Z unter österreichischen Versicherern wahrnehmen, bleibt das Bild auch hier durchmischt – teils ist die Gen Z als klare, oder sogar Kern-Zielgruppe definiert, teilweise aber nur gelegentlicher „Beifang“. Die Gründe hierfür wiederholten sich in unseren Interviews:

Ökonomische Perspektive und Strategie: Einige Versicherungsunternehmen nehmen eine Customer Lifetime Value-Perspektive ein und investieren bereits heute gezielt in den Ausbau der eigenen Marke unter der heranwachsenden Kundengruppe der Gen Z. Sie wollen ihren Kundenstamm gezielt und langfristig verjüngen und erwarten positive Effekte auch für die eigene Unternehmenskultur sowie ihre technologische Zukunftsfähigkeit. Andere Versicherungsunternehmen sehen größeres Potenzial in der Durchdringung der bereits gegenwärtig finanziell lukrativeren, aber noch unterversorgten Millennials.

Strukturen und Kultur: Während einige Versicherungsunternehmen sich selbst Mut zur Experimentierfreude verordnet haben, sind andere (noch) zurückhaltender – insbesondere auf den Führungsebenen. Abhängig vom Hauptvertriebskanal kann hier allerdings auch die Vermittlerstruktur mitwirken. Bei neuen Kommunikationskanälen und -inhalten, die Gen Z-gemäß sein und die Markenwahrnehmung aktualisieren sollen, ist mancher Vermittler skeptisch. Möglicherweise auch, weil es das eigene Selbstbild nicht hergibt. Dass rein budgetäre Gründe und begrenzte technische Möglichkeiten gegen die Orientierung an einer Zielgruppe Gen Z sprechen, beobachteten wir im Unterschied zum deutschen Versicherer-Markt weniger deutlich.

Heterogenität und Widersprüchlichkeit der Generation Z: Die Gen Z wird nicht als einheitliches Kundensegment wahrgenommen. Sie wirkt widersprüchlicher und heterogener als andere zu einer Generation zusammengefasste Altersgruppen. Wir sehen dies vor allem durch die Beschleunigung des technologischen Wandels und sich schneller ändernde Lebenswelten getrieben. Versicherer erleben die resultierende Heterogenität innerhalb der Gen Z. Sie beobachten, dass einige den sich vornehmlich mobil-digital bewegen und informieren, aber auch, dass die Eltern und der über sie „vererbte“ Vermittler wichtigste Informationsquellen sind. Sie sehen entschiedene Klimaaktivisten sowie unentschlossene Vorsorger und kritische Fragensteller ebenso, wie von einer Informationsflut Überforderte – sie sehen die Notwendigkeit, besser zu verstehen.

Direkt hier, bei den Eigenschaften der Gen Z, setzen die folgenden Abschnitte an. Denn, während Kultur- und Strategiefragen den Versicherungsunternehmen weitestgehend bewusst und vor allem individuelle Abwägungssache sind, liegt in einem besseren Verständnis der Gen Z selbst großes Potenzial für neue Impulse zur Erfolgssteigerung für alle Versicherungsunternehmen.

Hohe Anspruchshaltung, geringe Aufmerksamkeitsspanne und unentschlossen – Ihre neue Zielgruppe!

Sehr präsent ist in Studien und Medien die Wahrnehmung der Gen Z als erste echte „Digital Natives“ – in eine bereits digitalisierte Welt Hineingeborene; allerdings, mit welcher Konsequenz für die Erwartungshaltungen der Gen Z und dafür, sie als Kunden zu gewinnen und zu begeistern?

Digitale Prozesse und Kanäle werden von der Gen Z umfänglicher und intensiver gelebt als von vorangegangenen Generationen. Wichtige Entscheidungen recherchiert sie nicht nur auf dem Smartphone, sondern schließt sie auch eher dort ab. Dieses veränderte Medienkonsumverhalten sowie eine messbar abnehmende Aufmerksamkeitsspanne (betrifft alle Generationen, die Gen Z führt das Feld lediglich an), machen dann auch eine nicht nur in der Gen Z gestiegene Anspruchshaltung, insbesondere bezüglich Einfachheit und Übersichtlichkeit in Prozessen und Kommunikation, nachvollziehbar und sogar notwendig. „Erst Komplexität reduzieren, dann digitalisieren“ – das ist für den Erfolg bei der Gen Z oft zwingend und bei anderen Kundengruppen sicher auch kein Nachteil.

Aus den Wahrnehmungen unserer Interviewpartner lässt sich zum einen eine verstärkte Fokussierung auf Digitalisierung ablesen. Zum anderen wird auch deutlich, dass digitale Prozesse analoge Kontakte nicht verdrängen, sondern diese ergänzen. Unser Interviewpartner Franz Josef Zeiler von der Donau berichtet etwa, dass „mehr als die Hälfte der Gen Z, die eine Online-Antragsstrecke abschließen, sich dennoch einen persönlichen Berater zur Ergänzung wünschen“ und Birgit Wastl, UNIQA, beobachtet, dass „nicht nur Vertreter der Gen Z in der Stadt Online-Beratungsangebote stärker annehmen als ihre ländlichen Pendants“. Kontaktwege müssen vielfältiger werden, damit jeder Kunde den für sich bequemsten wählen kann. Für einen Teil der Kunden sind einfache, digitale Prozesse schlicht Hygienefaktoren, deren Fehlen sogar zur rigorosen Ablehnung eines Versicherers führen kann – ehe es zu einer Abwägung eigentlicher Produktvorteile kommt; für andere sind sie nur eine angenehme Option für den Bedarfsfall.

„Die Gen Z wirkt oft ambivalent – die Darstellung des individuellen Impacts ist daher im Umgang mit ihr ganz wesentlich.“ (Tilmann Buchner, Generali)

Paralyse durch Analyse – es zeigt sich weiter, dass die hohe Verfügbarkeit von (zu viel) digitaler und oft anonymer Information in der Gen Z eine Verunsicherung und sogar Entscheidungslähmung mit sich bringt. Die Herausforderung für Versicherer besteht daher darin, geringes Versicherungswissen mit möglichst einfachen und aufklärenden Informationen, beispielsweise im Online-Kurzformat, anzureichern. Dabei ergänzt dieser Ansatz die bestehenden: Birgit Wastl, UNIQA berichtet etwa, dass „es gut funktioniert, wenn das Thema Versicherung im Elternhaus präsent ist und an die Kinder weitergegeben wird. Ist dies nicht der Fall, ist die Herausforderung größer und andere Wege sind erforderlich“. Diese Erkenntnis reflektieren zahlreiche weitere Interviews: Eltern, als vertrauenswürdige Ratgeber der Gen Z in einer sich stetig verändernden Welt, bleiben ein wichtiger Bestandteil im Kommunikations-Mix gegenüber der Gen Z.

Eine erhöhte Unsicherheit bei wichtigen Entscheidungen spiegelt sich überdies in einem bei den Experten oft wahrgenommenen Flexibilitätsbedürfnis bei Versicherungsprodukten wider: Die Gen Z lässt im besonderen Maße eine Angst beobachten, Fehler zu begehen – die Möglichkeit zur späteren Anpassung mildert diese Angst, ohne dass diese Option später tatsächlich oft gezogen wird.

„Entscheidend ist für die Gen Z: Verständlichkeit, Transparenz, 24h Kundenservice, Anpassbarkeit und flexible Kündigungsmöglichkeit.“ (Markus Spellmeyer, Merkur)

Ob der Wunsch nach Flexibilität oder jener nach Einfachheit und Sorgenfreiheit die Produktentwicklung eher Richtung Baukasten- oder Bundle-Produkte führt, darin allerdings sind sich auch unsere Interviewpartner noch nicht einig.

Wie aus Versicherern und der Gen Z ein Match wird

Die Ausführungen hier sind bei weitem nicht abschließend und unterstreichen doch bereits die Herausforderungen für Versicherungsunternehmen sowie die Notwendigkeit, eine geeignete Strategie zu finden, um die Gen Z zu entschlüsseln und mittels konkreter Maßnahmen für sich zu gewinnen. Diese Inhalte vertiefen wir in nachfolgenden Artikeln im AssComapct-Magazin und auf asscompact.at

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