Die ausreichende Höhe der Versicherungssumme ist in der Rechtsschutzversicherung ein wichtiger Faktor. Das zeigt auch eine aktuelle Entscheidung des OGH (7 Ob 135/21k, versdb 2021, 53). Dennoch sollte man das Kleingedruckte nicht außer Acht lassen.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 16.11.2021
Der Kläger ist im Rechtsschutzversicherungsvertrag seiner Ehefrau und dem beklagten Versicherer mitversichert. Dem Vertrag liegen die ARB 2011 zugrunde. Zu den versicherten Risiken zählt unter anderem der Erb- und Familien-Rechtsschutz. Die Versicherungssumme beträgt pro Versicherungsfall 115.610 Euro.
Im nicht erfolgreichen Erbrechtsstreit des Klägers gegen seine Schwester nach dem Ableben des gemeinsamen Vaters im Mai 2015 gewährte der Versicherer dem Kläger Rechtsschutzdeckung und ersetzte ihm insgesamt Prozesskosten von 51.984,06 Euro.
Im Anschluss daran machte der Kläger in einem weiteren Gerichtsverfahren seinen (Schenkungs-)Pflichtteilsanspruch gegenüber seiner Schwester als Erbin teilweise erfolgreich geltend. Der Versicherer leistete Zahlungen in Höhe der Versicherungssumme. Dem Kläger entstanden im Pflichtteilsprozess darüber hinaus noch 21.269,77 Euro an Vertretungskosten und 7.858,80 Euro an Sachverständigengebühren.
Der Kläger begehrte vom Rechtsschutzversicherer die weiteren im Pflichtteilsprozess aufgelaufenen Kosten und Gebühren von gesamt 29.128,57 Euro sA.
Der Versicherer wendete ein, die zwischen dem Kläger und seiner Schwester wegen der letztwilligen Anordnung ihres Vaters geführten Erbrechtsstreitigkeiten seien insgesamt ein einheitlicher Versicherungsfall. In seinem (später durch einen Zusatz ergänzten) Testaments vom September 2012 habe der Vater die Schwester des Klägers zur Alleinerbin eingesetzt und außerdem erklärt, dass die Pflichtteilsansprüche des Klägers bereits abgefunden seien. Ausgehend davon hätten sowohl der Kläger als auch seine Schwester widerstreitende Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass abgegeben. Bereits im Erbrechtsverfahren seien die kontroversen Positionen der Streitteile zum Erbrecht und zum Pflichtteilsanspruch klar und offen zu Tage getreten. Insbesondere habe der Kläger bereits damals die Gültigkeit der letztwilligen Anordnung seines Vaters bestritten. Die anschließende pflichtteilsrechtliche Auseinandersetzung sei nichts anderes als die konsequente Fortsetzung der gerichtlichen Austragung gegensätzlicher Standpunkte in einer anderen Verfahrensart. Selbst wenn zwei Schadensfälle vorlägen, stünde die Versicherungssumme nur einmal zu, weil Art 6.7.2. ARB 2011 festlege, dass bei mehreren Versicherungsfällen, die einen ursächlich und zeitlich zusammenhängenden Lebensvorgang darstellten, die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung stehe.
Entscheidung des OGH:
Zunächst klärte der OGH, ob ein oder zwei Versicherungsfälle vorliegen: Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass der Versicherungsfall des Erbrechtsstreits mit der Erbantrittserklärung der Schwester des Klägers, die sich auf ihr testamentarisches Erbrecht berief, eintrat.
Der Verstoß, der zur Klage des Klägers auf den Schenkungspflichtteil führte, war, dass sich die Schwester ihre vom Erblasser erhaltenen Geschenke nicht anrechnete und damit den Anspruch des Klägers nicht erfüllen wollte. Mit diesem Verhalten setzte sie einen – vom Erbrechtsstreit getrennt zu beurteilenden – Verstoß, der als weiterer Versicherungsfall im Sinn des Art 2.3. ARB 2011 anzusehen ist.
Der Erbrechtsstreit und die (Schenkungs-)Pflichtteilsklage sind damit jeweils getrennt zu beurteilende Versicherungsfälle in der Rechtsschutzversicherung.
Serienschadenklausel anwendbar
Die beiden Versicherungsfälle (Streit zwischen dem Kläger und seiner Schwester im Zusammenhang mit dem Ableben des Vaters) betreffen die aus dem Erbfall resultierenden vermögensrechtlichen Ansprüche des Klägers. Die beiden Versicherungsfälle stehen nicht nur in einem zeitlichen, sondern auch in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Ableben des Vaters und dem Übergang des erblasserischen Vermögens auf den Kläger und seine Schwester. Sie resultieren damit aus einem einheitlichen Lebensvorgang. Somit liegt entsprechend Art 6.7.2 ARB 2011 ein Serienschaden vor, sodass die Versicherungssumme für beide Gerichtsverfahren nur einmal zur Verfügung steht.
Da ein einheitlicher Lebensvorgang vorliegt, steht die Versicherungssumme von 115.610 Euro für beide Prozesse (dh beide Versicherungsfälle) nur einmal in voller Höhe zu. Der Versicherer deckte mit der Versicherungssumme bereits die Kosten des Erbrechtsstreits (EUR 51.984,06) und auch anteilig die Kosten im Pflichtteilsprozess des Klägers (EUR 63.625,94).
Anmerkung:
Man sieht auch in diesem Fall, dass es für die ausreichende Deckung durch die Versicherungssumme auch wesentlich darauf ankommt, ob ein Serienschaden vorliegt. Dem kann man durch eine ausreichend hohe Festlegung der Versicherungssumme Rechnung tragen. Dennoch muss erwähnt werden, dass nicht nur die Höhe der Versicherungssumme die Qualität einer Rechtsschutzpolizze beeinflusst. Ganz wesentlich ist das Kleingedruckte in den ARB, wie z.B. allgemeine Risikoausschlüsse, zeitliche Risikoausschlüsse.
Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print
Titelbild: ©thodonal – stock.adobe.com
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