Er hat in den 2000er-Jahren einen der größten Versicherungskonzerne Europas geschaffen: Komm.-Rat Dr. Günter Geyer, Vorstandsvorsitzender des Wiener Städtischen Versicherungsvereins und Aufsichtsratsvorsitzender der VIG und der Wiener Städtischen Versicherung AG. Warum er dabei immer wieder „inkognito“ unterwegs war und welche Rolle Mentalitäten in einem internationalen Unternehmen spielen, verrät er im Interview mit AssCompact.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 29.04.2019
Günter Geyer hat die Wiener Städtische Versicherungsgruppe zwischen 2001 bis 2012 zu einem der größten Versicherungskonzerne Europas geformt und den Gewinn von 26 auf 564 Mio. Euro gesteigert. Im Gespräch mit AssCompact Herausgeber Franz Waghubinger erinnert er sich: Man habe einfach den „richtigen Zeitpunkt“ mit der Öffnung der Ostgrenzen „gut genutzt“ und in der damaligen Tschechoslowakei die erste private Versicherung in den ehemaligen kommunistischen Ländern aufgebaut. Die Gesellschaft erzielte sofort Gewinne. „Eine wunderbare Erfolgsstory – mittlerweile sind wir zur größten Versicherungsgruppe Zentral- und Osteuropas geworden.“
„Viele glaubten, ich wäre ein Tourist“
Seinen Erfolg führt Geyer maßgeblich auf persönliche Präsenz an den „Schauplätzen“ zurück. „Es war mir immer sehr wichtig, in den Ländern, in denen wir expandiert haben, möglichst viele Standorte kennenzulernen. Meine Familie hat das stets mitgetragen – wichtig ist ja auch ein funktionierendes privates ‚Backup‘.“ In den Jahren der Expansion sei er an allen Wochenenden und Urlaubstagen mit seiner Frau in Tschechien, Ungarn und der Slowakei unterwegs gewesen. „Dort ging ich zunächst einmal ‚inkognito‘ in eine Filiale, sprach ein paar Worte und wartete die Reaktion ab. Viele glaubten, ich wäre ein Tourist und fragten, ob sie mir helfen könnten. Interessiert hat mich vor allem die Servicequalität und wie die Filialen aussehen.“ Erst nach der persönlichen Vorstellung sah sich Geyer die Arbeitsabläufe an und sprach mit den Kollegen über Verbesserungsbedarf. Der „inkognito“-Auftritt sei aber nur in der ersten Filiale gelungen. Schon die zweite Filiale wurde per Anruf informiert: „Passt’s auf, der Geyer ist unterwegs“.
Wichtig sei ihm stets gewesen, auf persönliche Einstellungen und den Ehrgeiz der Menschen einzugehen. „Dabei muss man aber sehr rücksichtsvoll vorgehen“, betont Geyer. „Wir fahren eine Mehrmarken-Strategie und sind der Meinung, dass gute Namen beibehalten werden sollen.“ Trotz einer engen Zusammenarbeit müsse „das Unternehmerische“ bei der jeweiligen Gesellschaft bleiben. „Nicht wir in Wien wissen, was man am besten in Bukarest oder Prag braucht, sondern nur die Menschen dort.“
„600 Jahre habt ihr uns in der Monarchie erzählt, wie gut ihr seid“
Die „Mentalitätsunterschiede“ zwischen den Ländern seien nicht sehr groß. „Auch wenn wir unterschiedliche Sprachen sprechen, verbinden uns historische Gemeinsamkeiten.“ Dass etwa österreichische Unternehmen in Ungarn ertragreicher wirtschaften als deutsche Firmen, ist für Geyer „ein Thema der Mentalität“. „Die Ungarn beispielsweise wollen zeigen, dass sie etwas können. Als wir die Mehrheit einer Firma übernommen haben, die zuvor Verluste gemacht hatte, fragte mich der Generaldirektor, was er jetzt genau machen solle und bat mich um eine Anweisung.“ Darauf erwiderte Geyer scherzhaft: „600 Jahre habt ihr uns in der Monarchie erzählt, wie gut ihr seid – dann zeigt es jetzt auch!“ Zwei Jahre später habe die Gesellschaft Gewinn geschrieben.
Das Vorstandsinterview lesen Sie in der AssCompact Mai-Ausgabe.
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