Eine Leistung aus der Unfallversicherung erfolgt nur, wenn der Unfallbegriff erfüllt ist. Dass dies bei Erfrierungen oft nicht der Fall ist, hat der OGH bereits einige Male entschieden. Nun gibt es einen weiteren Fall, der zu Lasten des Versicherungsnehmers entschieden wurde.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 02.09.2020
Von Ewald Maitz (Foto), MLS
Der Versicherungsnehmer (VN) ist Kommissionierer in einer Tiefkühlanlege. Die im Zuge des gewöhnlichen Arbeitsverlaufs des VN erlittenen Erfrierungen aufgrund der allmählichen (ca. fünfstündigen) Einwirkung der Kälte auf den Körper des VN stellen lt. OGH zwar eine Gesundheitsschädigung, nicht jedoch ein Unfallereignis dar.
Es liegt hier zwar eine unfreiwillige Gesundheitsschädigung vor, jedoch fehlt es an der plötzlichen Einwirkung von außen auf den Körper der versicherten Person.
Plötzliche Einwirkung von außen
Zur „Plötzlichkeit“ des Unfalls gehört nach der Judikatur das Moment des Unerwarteten und des Unentrinnbaren. Für den Versicherten muss die Lage so sein, dass er sich bei normalem Geschehensablauf den Folgen des Ereignisses im Augenblick ihres Einwirkens auf seine Person nicht mehr entziehen kann. „Plötzlich“ sind demnach alle jene Ereignisse, die sich in einem sehr kurzen Zeitraum unerwartet ereignen. Es können aber auch allmählich eintretende Ereignisse unter den Begriff fallen, wenn sie nur für den VN unerwartet und unvorhergesehen waren. Ein Unfallereignis liegt damit (nur) dann vor, wenn objektiv für den betroffenen VN kein Grund bestand, mit den konkret eingetretenen Umständen zu rechnen, er davon überrascht wurde und ihnen nicht entgehen konnte.
Gerät der VN in eine Lage, bei der seine Bewegungsfähigkeit beispielsweise vollkommen aufgehoben ist, weil er z.B. irgendwo feststeckt, dann wird man von einem Unfall sprechen können und der Versicherer ist wohl leistungspflichtig.
Weitere Entscheidung des OGH
Ein vom OGH entschiedener Fall aus dem Jahr 2017 zeigt, wie eng die Grenzen der Leistungspflicht hier sind: Ein Sturz des VN beim Klettern in das Kletterseil führte vorerst zu keiner Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität. Etwas später stellte der VN fest, dass er sowohl im Kniebereich als auch bei den Füßen durchnässt war. Die Beschädigungen in den Kniebereichen der Hose waren die einzige Ursache für einen Feuchtigkeitseintritt. Ein Notruf oder eine Rettungsaktion waren nicht möglich. Bei dieser Klettertour erlitt der VN aufgrund des Feuchtigkeitseintritts Erfrierungen an beiden Vorfüßen, die deren Amputation notwendig machten. Es liegt lt. OGH kein Unfall iSd Bedingungen vor, weil die körperliche Funktionalität des VN durch den Sturz nicht so beeinträchtigt wurde, dass er die Klettertour nicht fortsetzen und beenden konnte.
Anmerkung
Die aufgezeigten Fälle zeigen die Tendenz, dass der OGH den Unfallbegriff vor allem im Vergleich zur deutschen Judikatur eher eng auslegt. Das zeigt aber auch Möglichkeiten in der Produktentwicklung auf. Kundenfreundliche Versicherungsprodukte könnten etwa Erweiterungen für Erfrierungen (auch ohne Vorliegen eines Unfalles) oder auch mittelbare Gesundheitsschäden in den Versicherungsschutz als Deckungserweiterung einschließen. Dies würde mE auch dem Verständnis des durchschnittlichen VN eher entsprechen, auch wenn der OGH da anderer Ansicht ist.
Quellen: Kommentar AUVB – Verlag Österreich/ Zeitschrift versdb print – „Der klassische Unfallbegriff im Lichte der aktuellen Judikatur“ / versdb – Datenbank Versicherungsrecht
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