Fünf Experten der österreichischen Finanzbranche sind in einer aktuellen Studie der Frage nachgegangen, ob nachhaltige Fonds nach SFDR-Kategorisierung tatsächlich nachhaltiger sind als konventionelle Fonds, oder ob es hier mangels fehlender regulatorischer Vorgaben zu keinen signifikanten Unterschieden kommt.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 05.12.2022
Die Europäische Union möchte den Klimawandel und andere nachhaltige Herausforderungen bekämpfen. Deswegen wird nun die Finanzbranche reguliert und der Versuch gestartet „Gelder in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten“ zu lenken. Mit der Offenlegungs-VO wurden vermeintlich „Nachhaltige Finanzprodukte“ definiert, mit der Taxonomie-VO die „Definition“ und mit der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage soll der Endkunde nun mit eben diesen nachhaltigen Produkten bedient werden.
Doch wie nachhaltig sind eigentlich die von der EU „erschaffenen Label“ (welche am Markt oftmals als solche verstanden werden) bzw. die damit klassifizierten Produkte? In einer aktuellen Studie sind Mag. Armand Colard, Thomas Ebenstein, BSc Daniel Kupfner, MA, CEFA, EFFAS ESG Analyst, Dr. Josef Obergantschnig, MBA, CIIA, EFFAS ESG Analyst und Mag. Kevin Windisch, MSc, EFFAS ESG Analyst dieser Frage nachgegangen.
„Ziel der Studie ist es, die Nachhaltigkeitsgüte konventioneller und nachhaltiger Fonds miteinander zu vergleichen. Ebenso sollen länderspezifische Unterschiede der Produktanbieter und ihrer Fonds untersucht werden“, erläutert Dr. Josef Obergantschnig, Präsident von ETHICO – Verein für Wirtschaft und Ethik und einer von fünf Studienautoren, im Rahmen eines YouTube-Videos, in dem er die Ergebnisse der Studie präsentierte.
Zur Beantwortung der Studienfragen wurden 1.963 Aktienfonds (Publikumsfonds) analysiert, welche über eine Vertriebszulassung in Österreich und/oder Deutschland verfügen. Dazu wurden die Finanz-, Basis- und Portfoliodaten des britischen Unternehmens Refinitiv und die Nachhaltigkeitsdaten der ESG Plus GmbH herangezogen.
„Die Ergebnisse dieser Studie zeigen zwar, dass nachhaltige Fonds (laut SFDR) im Schnitt über höhere ESG-Bewertungen verfügen als konventionelle Fonds, jedoch die Spannbreite und Diskrepanz der Nachhaltigkeitsbewertungen insbesondere bei Artikel 8-Fonds sehr groß ist. Dies spiegelt auch den unterschiedlichen Zugang des Marktes wider. Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen wird die Notwendigkeit einer Nachschärfung der SFDR deutlich. Eine klarere Abgrenzung zwischen den Produktkategorien erscheint dabei zwingend erforderlich“, so Obergantschnig.
Die Ergebnisse in Kürze:
- Die Nachhaltigkeitsbewertungen und ESG-Scores steigen im Hinblick auf die Analyse von Artikel 6-, 8- und 9-Fonds sukzessive an (Artikel 6-Fonds verzeichnen im Schnitt die niedrigsten ESG-Scores, Artikel 9-Fonds die höchsten gemäß CLEANVEST-Analysen).
- Auch nachhaltige Fonds laut SFDR (Artikel 8- und 9-Fonds) sind nicht gänzlich frei von diversen Kontroversen (z. B. Kohle, Atomenergie, Waffen, Kinderarbeit).
- Innerhalb der Artikel 8-Fonds gibt es sehr große Diskrepanzen und Unterschiede in den ESG-Bewertungen. Die hohe Spannweite in den Ergebnissen spiegelt auch den unterschiedlichen Zugang des Marktes wider. Durch diese hohe Spannweite der ESG-Scores stellt Artikel 8 damit für Endkund*innen aus Sicht der vorliegenden Studie eine nur begrenzt nützliche Produktklassifizierung dar.
- Artikel 9-Fonds, welche umgangssprachlich auch als dunkelgrüne oder Impact-Fonds bezeichnet werden, weisen in der Praxis nicht immer gute ESG-Scores auf. Dies liegt teilweise am thematischen Fokus und Ansatz der Fonds. Der Schwerpunkt liegt dabei mehr auf den SDGs, als auf ESG. Dieser methodische Unterschied wird in den Ergebnissen sichtbar.
- Fonds mit dem Österreichischen Umweltzeichen (UZ 49) weisen im Schnitt die besten Nachhaltigkeitsbewertungen auf und sind kaum im unteren ESG-Scoring-Bereich der Verteilungen zu finden.
- Das Kriterium „Frei von Kohle“ ist länderübergreifend im Fokus der Asset-Manager und hier herrscht ein breiter Konsens. Andere Themen wie „Kinderarbeit“ werden in den einzelnen untersuchten Ländern sehr unterschiedlich bewertet und umgesetzt.
- Kriterien wie „Gleichstellung von Frauen“ und „Indigene Rechte“ finden oftmals weniger Berücksichtigung bei den Fondsgesellschaften.
- Österreichische Asset-Manager verfügen im Schnitt über höhere Nachhaltigkeitsbewertungen in ihren Fonds als deutsche Fondsanbieter.
- Hinsichtlich der Fondsgröße lassen sich keine Unterschiede in der Nachhaltigkeitsbewertung feststellen.
Ausblick
Laut Studie gewinnt das Thema Nachhaltigkeit innerhalb der Finanzwirtschaft spürbar an Bedeutung. Nichtsdestotrotz steht die Branche erst am Beginn einer langen Reise und es werden gerade die ersten Schritte zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft gesetzt. Auch die Gesetzgeber benötigen laut Studie noch mehr Erfahrungen und Daten, um die Regulatorik zielgerichteter und treffsicherer zu machen. Weitere Leitlinien der Aufsichtsbehörden werden dazu beitragen, in Zukunft ein homogeneres Bild zu schaffen. Hier sollte aber darauf geachtet werden, einzelne Finanzmarktteilnehmer hinsichtlich der Quantität und Komplexität an neuen Vorschriften und Vorgaben nicht zu überfordern.
Foto oben: Dr. Josef Obergantschnig , Präsident von ETHICO – Verein für Wirtschaft und Ethik
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