Der Sachverhalt ist häufig: Ein Wohnungsmieter verursacht einen Schaden am Gebäude, der Gebäudeversicherer des Vermieters zahlt und regressiert gemäß § 67 VersVG beim Wohnungsmieter. Ob das noch zeitgemäß ist, hat der OGH in 7 Ob 99/23v vom 27.9.2023 geklärt.
Artikel von:
Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Zwischen der Vermieterin und der klagenden Versicherung besteht eine Leitungswasser-Schadenversicherung, die keinen Regressverzicht zu Gunsten der Mieter enthält. Im Zuge des Umbaus der Küche in der Wohnung des Mieters kam es zu einem Wasserschaden, der vom Versicherer entschädigt wurde. Gegen den Regress des Versicherers wendete der Mieter ein, dass konkludent ein Regressverzicht vereinbart wurde. Die Klage des Versicherers blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Interessenlage des Eigentümers ist dadurch geprägt, dass er Auseinandersetzungen mit einem Be-sitzer, dem er – meist aufgrund eines Vertrages – die Sachherrschaft eingeräumt hat, vermeiden will. Wäre das Sachersatzinteresse des Mieters nicht geschützt, so wäre der VN nach Eintritt des Versicherungsfalles genötigt, den Versicherer bei der Durchsetzung der auf diesen übergegangenen Ansprüche zu unterstützen, was zu einer erheblichen Belastung des Verhältnisses zum Mieter führen kann. Schließlich ist das Interesse des Eigentümers hervorzuheben, eine Beeinträchtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Sachnutzers durch einen Regress des Versicherers zu vermeiden. Ein redlicher Erklärungsempfänger durfte daher darauf vertrauen, dass die Klägerin jedenfalls auf Regressansprüche wegen leichter Fahrlässigkeit gegen jene Mieter, auf die eine Versicherungsnehmerin ihre Prämien überwälzt, verzichtet.
Kommentar
Das Thema hat eine lange Geschichte: Zu Beginn war ein schadenersatzrechtlicher Ansatz (Regress bei jedem Grad von Verschulden); darauf folgte ein mietrechtlicher Ansatz (kein Regress bei leichter Fahrlässigkeit und Prämienüberwälzung); lange aktuell war der versicherungsrechtliche Ansatz (vertraglicher Regressverzicht bei leichter Fahrlässigkeit); nun gilt wieder der mietrechtliche Ansatz. Die Entscheidung ist nachvollziehbar, aber aus mehreren Gründen problematisch. Erstens rechtlich: § 67 VersVG räumt dem Versicherer ein Regressrecht unabhängig vom Verschulden des Schädigers ein (ausgenommen beim Angehörigenprivileg). Auch der Hinweis auf § 80 VersVG ist nicht zielführend, weil bei der Versicherung auf fremde Rechnung in der Regel fremde Sachen versichert werden, der Vermieter aber typischerweise sein eigenes Eigentum versichert. Zweitens wirtschaftlich: Der Vermieter kann sehr wohl ein Interesse an einer Regressführung seines Sachversicherers gegen den Mieter bzw. dessen Haftpflichtversicherer haben, weil dadurch Schadenbelastung und Prämie seiner Versicherung günstig beeinflusst werden. Zudem ist nicht einzusehen, warum ein allfälliger Haftpflichtversicherer des Mieters gegenüber dem Sachversicherer des Vermieters begünstigt werden soll. Drittens praktisch: Was geschieht, wenn der Vermieter seinen Sachversicherer nicht in Anspruch nehmen möchte? Kann er dann auch nur bei grober Fahrlässigkeit gegen den Mieter vorgehen? Was ist, wenn der Vermieter ausdrücklich Wert auf den Regress legt? Damit scheidet ein konkludenter Wille wohl aus. Die Bedeutung der Entscheidung ist zum Glück enden wollend, weil viele Sachversicherer ohnehin einen Regressverzicht gegen den Wohnungsmieter bei leichter Fahrlässigkeit vorsehen. Eine Lösung durch Produktgestaltung ist einer gerichtlichen Auslegung jedenfalls vorzuziehen.
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