Ein Versicherungsnehmer hatte für eine Woche sein Haus verlassen und dabei das gekippte Fenster zur Werkstatt nicht geschlossen. Ein unbekannter Täter konnte sich so Zugang in die Werkstatt und in weiterer Folge ins Haus verschaffen. Der Versicherungsnehmer verlangte Deckung von seiner Haushaltsversicherung, die eine Deckung jedoch ablehnte. Nun entschied der OGH.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 04.07.2022
Der Kläger hat als Versicherungsnehmer mit der beklagten Versicherung einen Haushaltsversicherungsvertrag abgeschlossen, mit welchem unter anderem das Risiko von Schäden infolge eines Einbruchsdiebstahls gedeckt wird. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH) und die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) zugrunde. Die ABH lauten auszugsweise wie folgt:
„Artikel 5
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor dem Schadenfall
[...]
2. Wenn die Versicherungsräumlichkeiten für noch so kurze Zeit von allen Personen verlassen worden sind,
2.1 Eingangs- und Terrassentüren, Fenster und alle sonstigen Öffnungen sind stets ordnungsgemäß verschlossen zu halten. Dazu sind vorhandene Schlösser vollständig zu versperren.
[...]
8. Die vorstehenden Obliegenheiten gelten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften gemäß Artikel 3 ABS. Ihre Verletzung führt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers.“
Die ABS lauten auszugsweise wie folgt:
„Artikel 3
Welche Rechtsfolgen treten bei der Verletzung von Sicherheitsvorschriften ein?
[...]
2. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadenfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Schadenfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat [...].“
Der Kläger hat das versicherte Haus für eine Woche verlassen und ließ das Fenster zur ebenerdigen Werkstatt in gekippter Stellung. Ein unbekannter Täter drückte das gekippte Fenster auf, öffnete die Verriegelung, vermutlich mit einem Draht, und gelangte so in die Werkstatt. In weiterer Folge zwängte der Täter die verschlossene Metalltüre, zwischen Werkstatt und Aufgang zum Wohnhaus, mit einem mitgebrachten Brecheisen auf.
Der Kläger verlangte Entschädigung aus der Haushaltsversicherung. Aus Sicht des Klägers beruhte der Einbruch nicht auf einer erhöhten Gefahrenlage (gekipptes Fenster), da der Einbrecher erst die zwischen Werkstatt und Wohnbereich befindliche Metalltür mit einem Brecheisen aufzwängen musste. Die Haushaltsversicherung lehnte jedoch eine Deckung ab. Der Fall gelangte schließlich zum Obersten Gerichtshof (OGH).
Wie ist die Rechtslage?
Der OGH führte in seiner Entscheidung (OGH 28.04.2022, 7Ob47/22w) zunächst aus, dass sich der Versicherer gemäß § 6 Abs 2 VersVG bei der Verletzung einer Obliegenheit, die der Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr, dem Versicherer gegenüber zu erfüllen hat, auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen kann, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (vorbeugende Obliegenheit). § 6 Abs 2 VersVG eröffnet dem Versicherungsnehmer daher einen Kausalitätsgegenbeweis.
Dafür bedarf es des Beweises, dass der Versicherungsfall auch ohne die Verletzung der Obliegenheit mit Sicherheit eingetreten wäre, dass also der Eintritt und der Umfang des Versicherungsfalls nicht auf einer erhöhten Gefahrenlage beruhen, die typischerweise durch die Obliegenheitsverletzung entsteht. An den Gegenbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist nicht etwa nur die Unwahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs darzutun.
Bereits in einer älteren Entscheidung hat der OGH den Kausalitätsgegenbeweis als misslungen angesehen, wenn durch die Obliegenheitsverletzung die Gefahr eines Einbruchsdiebstahls deshalb gesteigert wird, weil einem Einbrecher, etwa durch ein Fenster in Kippstellung, weniger Widerstand geboten wird als durch ein geschlossenes Fenster.
Nach Ansicht des OGH beruhte der Eintritt des Versicherungsfalls (Einbruchsdiebstahl) auf einer Obliegenheitsverletzung, da ein gekipptes Fenster typischer Weise zu einer erhöhten Gefahrenlage führt. Das Fenster in Kippstellung hat nämlich das Eindringen in die Werkstatt erleichtert. In der Werkstatt konnte sich der Täter ungestört und mit weit geringerem Risiko vor Entdeckung an der Innentür zu schaffen machen.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Infolge der Verletzung einer Obliegenheit nach § 6 Abs 2 VersVG besteht daher auch keine Leistungspflicht der beklagten Versicherung.“
Foto oben: Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Titelbild: ©AA+W – stock.adobe.com
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