Die Verkaufsklappe eines Grillhähnchen-Verkaufswagens öffnete sich beim Vorbeifahren an einer Hausecke. Das OLG Karlsruhe in Deutschland musste klären, ob es sich dabei um einen gedeckten Unfallschaden aus der KFZ Kaskoversicherung handelt.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 01.10.2021
Am 12.7.2016 gegen 19:00 Uhr erlitt der VN mit dem Fahrzeug – einem Grillhähnchen-Verkaufswagen – einen Verkehrsunfall, indem er beim Vorbeifahren mit dem Fahrzeug die Ecke eines Wohnhauses streifte. Dadurch wurde die an der rechten Seite des Fahrzeugs befindliche Verkaufsklappe abgerissen und der hintere Teil des Fahrzeugs beschädigt. Durch den Anstoß wurde das Fahrzeug nach rechts abgelenkt und fuhr anschließend frontal gegen die Wand des nächsten Wohnhauses, wodurch die Fahrzeugfront stark eingedrückt wurde. Zur ersten Kollision war es gekommen, weil sich die Verkaufsklappe des hinteren Fahrzeugaufbaus geöffnet hatte, und der Wagen deshalb an der Hauswand hängen geblieben war.
Die Kaskoversicherungsbedingungen des Versicherungsvertrages enthielten u.a. folgende Bestimmung:
„A. 2.3.2 Unfall
Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis.
Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen z. B. Schäden am Fahrzeug durch Rutschen der Ladung oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs und Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.“
Das Gericht musste entscheiden, ob es sich beim Schadenfall um einen gedeckten Unfallschaden oder einen nicht gedeckten Betriebsschaden handelt:
Bleibt ein Grillhähnchen-Verkaufswagen beim Vorbeifahren an einer Hausecke hängen, weil sich die seitliche Verkaufsklappe während der Vorbeifahrt geöffnet hat, handelt es sich um ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis iSv A. 2.3.2 AKB 2008, also um einen Unfall im Sinne der Vollkaskoversicherung. Die Regelung in den Versicherungsbedingungen, wonach „Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs nicht als Unfallschäden gelten“ enthält keine Ausschlussklausel. Die Regelung hat lediglich deklaratorischen Charakter. Für den Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung spielt es keine Rolle, ob der VN die Verkaufsklappe des Fahrzeugs vor Fahrtantritt fahrlässig unzulänglich befestigt hat. Denn die Vollkaskoversicherung gewährt Versicherungsschutz gerade in den Fällen, in denen der VN fahrlässig zum Unfallereignis beigetragen hat.
Anmerkung
Im Gegensatz zum Betriebsschaden, der durch eine Gefahr herbeigeführt wird, die unter Berücksichtigung der Art, wie das Fahrzeug verwendet wird, damit gewöhnlich verbunden ist und gewöhnlich auch überstanden wird, handelt es sich bei einem Unfall um ein außergewöhnliches Ereignis. Der Umstand, dass das Ereignis durch ein im Einzelfall mehr oder weniger selten vorkommendes fahrlässiges Verhalten des Kfz-Lenkers verursacht wurde, ist kein Unterscheidungskriterium zwischen den Begriffen Unfall und Betriebsschaden.
Quellen: OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.6.2021 – 9 U 54/19, r+s 2021, 498; versdb print – Ausgabe Oktober 2021 (Reisinger)
Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
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Titelbidl:©benjaminnolte – stock.adobe.com
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