Ist eine private KFZ-Kaskoversicherung für die Deckung eines Schadens, der beim Reifenwechseln entstanden ist, zuständig? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 06.08.2020
Eine Kundin begehrt Versicherungsdeckung von ihrer Kaskoversicherung für die Beschädigung ihres Autos. Gemäß der Schadenmeldung sei der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin beim Reifenwechsel mit dem Wagenheber plötzlich abgerutscht, wobei er das Blech an der Unterbodenverkleidung beschädigt habe. Laut Sachverständigengutachten belaufe sich der Reparaturaufwand auf 1.228 Euro exkl. USt.
Der Kaskoversicherer lehnte die Deckung mit der Begründung ab, dass es sich um einen Betriebsschaden, nicht um einen Unfall handelt.
Wie die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle entschied
Die Rechtsservice- und Schlichtungsstellte kam zu folgendem Ergebnis: Laut Obersten Gerichtshof (OGH) liegt eine Betriebsschaden dann vor, wenn der Schaden durch eine Einwirkung entstanden ist, der ein Kraftfahrzeug gewöhnlich ausgesetzt ist und die es ohne weiteres überstehen muss. Dies ist dann der Fall, wenn der Schaden durch eine Gefahr herbeigeführt worden ist, die unter Berücksichtigung der Art, wie das Fahrzeug verwendet wurde, damit gewöhnlich verbunden ist und gewöhnlich auch überstanden wird.
Das Gegenstück dazu bildet der Unfall, ein außergewöhnliches Ereignis. Um von einem Unfall im Sinne der AKIB sprechen zu können, muss noch hinzukommen, dass nach der Art, wie der versicherte Gegenstand im konkreten Fall verwendet wurde, das schädigende Ereignis außergewöhnlich erscheint, so dass mit ihm vorher nicht zu rechnen war.
Kein Kriterium für den Unterschied zwischen den Begriffen „Unfall“ und „Betriebsschaden“ ist es, ob das Ereignis durch ein im Einzelfall mehr oder weniger selten vorkommendes fahrlässiges Verhalten des jeweiligen Kraftfahrzeuglenkers verursacht wurde. Entscheidend für die Abgrenzung ist es dagegen, ob mit Rücksicht auf den Verwendungszweck des Fahrzeuges im Allgemeinen oder im Einzelfall das Schadensereignis dem Betriebsrisiko zugerechnet werden kann.
Ereignisse, die ohne weiteres vorausgesehen werden können, sind Betriebsgefahren, denen auf geeignete Weise zu begegnen ist. Schadensfälle, die unter Berücksichtigung der Verwendung des Fahrzeuges als normal anzusehen sind, fallen unter das Betriebsrisiko und werden als Betriebsschaden von der Kaskoversicherung nicht erfasst (7 Ob 47/88).
Das Abrutschen des Wagenhebers ist ein Unfall!
Der Annahme eines Unfallschadens steht die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer das plötzliche schadensverursachende Ereignis ausgelöst hat, nicht entgegen. Maßgeblich ist, dass ein zunächst kontrolliert begonnener Vorgang durch ein plötzliches unerwartetes weiteres Ereignis unkontrollierbar wird. Dass dieses unerwartete Ereignis durch eine Ungeschicklichkeit des Versicherungsnehmers ausgelöst wird, steht der Annahme eines Unfalles grundsätzlich nicht entgegen, es sei denn, es handelt sich um einen Betriebsvorgang, der von vornherein erkennbar falsch eingeleitet wird und aufgrund der Erkennbarkeit vor Schadenseintritt gestoppt werden hätte müssen. Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, solange das Abrutschen des Wagenhebers nicht auf einen erkennbaren Bedienungsfehler zurückzuführen war, sondern z.B. auf einen nicht erkannten Fehler, dass dann ein versichertes Unfallsgeschehen vorliegt. (RSS-0019–20–9 = RSS-E 26/20)
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