Im Herbst 2023 hat der Nationalrat Änderungen mehrerer Gesetze im Bereich der Kfz-Versicherung beschlossen. Diese Änderungen betreffen das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz (VOEG), das Kfz-Haftpflichtversicherungsgesetz (KHVG), das Kraftfahrgesetz (KFG), das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und die StVO. Der folgende Beitrag bietet einen kurzen Überblick über die Änderungen.
Artikel von:
Mag. Georg Wimmer
Versicherungsrechtsexperte bei KPMG Law – Buchberger Ettmayer Rechtsanwälte GmbH
Erweiterung der Ersatzpflicht des Fachverbandes
Ein Ziel der Änderungen ist ein umfassender Schutz von Verkehrsopfern. Schon bisher war der Fachverband der Versicherungsunternehmen verpflichtet, bei Ausfällen von Kfz-Versicherern den entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieses Prinzip ähnelt dem der „Einlagensicherung“ bei Banken, bei der alle Unternehmen der Branche gemeinsam die Kunden eines ausfallenden Unternehmens schützen.
Die Entschädigungspflicht des Fachverbands der Versicherungsunternehmen wird nun erweitert. Sie gilt nicht mehr nur für bestimmte, im KFG von der Versicherungspflicht ausgenommene Fahrzeug-kategorien, sondern grundsätzlich für alle Fahrzeuge. Als Fahrzeug gilt alles, was ausschließlich durch Maschinenkraft an Land fährt, mindestens 25 km/h schnell fahren kann, oder mindestens 14 km/h schnell fahren kann und gleichzeitig mehr als 25 kg wiegt. Jeder Anhänger, der mit einem solchen Fahrzeug verbunden werden kann, gilt ebenfalls als Fahrzeug. Ausgenommen sind Eisenbahnen und Rollstühle.
Die Entschädigungspflicht des Fachverbandes der Versicherungsunternehmen bei Ausfall eines Versicherers wird auch auf Fälle erweitert, in denen der Versicherungsvertrag aufgrund einer Hinterlegung des Zulassungsscheins und des Kennzeichens ruhend gestellt wurde. Die bereits bestehende Ersatzpflicht des Fachverbandes im Falle einer Insolvenz eines Kfz-Versicherers wird nun in § 5 VOEG ausführlich geregelt. Es wurde eine Mindesthöhe der Entschädigung und ein detailliertes Verfahren festgelegt.
Zur Finanzierung dieser Ersatzpflicht hat der Fachverband Anspruch auf Ersatz seiner Leistungen gegen die österreichischen Kfz-Haftpflichtversicherer. Dieser Ersatz richtet sich grundsätzlich nach deren Anteil am marktweiten Gesamtprämienaufkommen der Kfz-Sparte. Nun ist es ausdrücklich zulässig, von jedem Kfz-Haftpflichtversicherer einen Mindestbeitrag von 0,5 % der vom Fachverband im Rahmen der Ersatzpflicht erbrachten Leistungen zu fordern, auch wenn der Anteil eines Kfz-Haftpflichtversicherers am gesamten Kfz-Haftpflicht-Prämienvolumen geringer als 0,5 % ist. Dies war schon bisher gängige Praxis, wurde nun aber auch gesetzlich vorgesehen.
In einigen Fällen besteht die Ersatzpflicht des Fachverbandes jedoch nicht: bei sachfremder Verwendung des Fahrzeugs (Verwendung des Motors als ortsgebundene Energiequelle, z.B. wenn der Fahrzeugmotor im Stehen zum Betrieb anderer Maschinen verwendet wird); im Rahmen von Motorsportveranstaltungen; bei Arbeitsunfällen auf abgesperrtem Fabriksgelände oder bei Schäden durch nicht versicherungspflichtige Fahrzeuge, insbesondere durch Fahrzeuge im Eigentum von Bund und Ländern. In letzteren Fällen wird ein ausreichend großer „Haftungsfonds“ vermutet, da man dem Staatshaushalt grundsätzlich eine ausreichende Zahlungsfähigkeit unterstellt, um Unfallopfer seiner Dienstfahrzeuge zu entschädigen, sodass es keiner Versicherung dafür bedarf.
Mit der Ausnahme von Unfällen bei Motorsportveranstaltungen auf Straßen von der Ersatzpflicht des Fachverbands geht die gleichzeitige Pflicht des § 64 Abs 3a StVO einher, für solche Veranstaltungen eine entsprechende Versicherung abzuschließen. Der Gesetzgeber geht daher nicht davon aus, dass es durch die Ausnahme von Unfällen bei Motorsportveranstaltungen auf Straßen von der Ersatzpflicht des Fachverbands zu einer vermehrten Inanspruchnahme des Fachverbands kommt, denn solche Unfälle wären demnach ohnehin von den nunmehr nach § 64 Abs 3a StVO abzuschließenden Versicherungen gedeckt.
Weitere gesetzliche Neuerungen
Neben der eben geschilderten Neuerung zur Ersatzpflicht des Fachverbandes gab es mit der Gesetzesnovelle noch weitere punktuelle Änderungen:
§ 8 Abs 3 KHVG sieht nunmehr vor, dass Versicherer eines Anhängers, die bei einem Unfall durch ein Fahrzeuggespann mit Anhänger nicht zum vollen Ersatz verpflichtet sind, dem Geschädigten mitteilen müssen, welcher Versicherer das Fahrzeug versichert. Wenn der Versicherer des Anhängers den Versicherer des Fahrzeugs nicht ermitteln kann, hat er den Geschädigten über den Entschädigungsmechanismus bei Ausfall des Haftpflichtversicherers gem § 4 VOEG zu informieren.
In § 16 KHVG wurde ein erweitertes Verfahren für die Ausstellung von Bescheinigungen des Schadenverlaufs normiert. Um die Überprüfung und Authentifizierung von Bescheinigungen des Schadenverlaufs zu vereinfachen, sollen mittels Muster Form und Inhalt der Bescheinigung in der gesamten EU vereinheitlicht werden. Zudem werden Diskriminierungen der Versicherungsnehmer, die eine solche Bescheinigung verlangen, aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des früheren Wohnsitzstaates verboten.
Die Mindestversicherungssummen für Kfz-Pflichthaftpflichtversicherungen bleiben gleich, können aber in Zukunft per Verordnung der Justizministerin an geänderte europäische Vorgaben zur Mindestversicherungssumme angepasst werden. Hintergrund ist, dass diese Mindestversicherungssummen durch die EU vorgegeben werden und alle fünf Jahre von der EU-Kommission überprüft und an die Inflation (konkret den VPI) angepasst werden können. Die Anpassung der österreichischen Mindestversicherungssummen an diese EU-Vorgaben soll nun mittels Verordnung erfolgen und damit vereinfacht werden. Es muss somit nicht das Gesetz durch den Nationalrat geändert werden.
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