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KI in der Versicherungswirtschaft: Mehr Evolution als Revolution

(Bild: © AssCompact/Mitterhauser)

KI in der Versicherungswirtschaft: Mehr Evolution als Revolution

09. Oktober 2023

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7 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Ist die persönliche Beratung ein Auslaufmodell und ersetzt der Robo-Advisor in absehbarer Zeit den Versicherungs- und Finanzexperten? Und welche Rolle spielt in Zukunft der Faktor Mensch? Fragen wie diese wurden beim AssCompact Trendtag im Zukunftskongress „Digitalisierung & Co – the future begins now“ diskutiert. Das Interesse der Zuhörer, die über Headset die Diskussion mitverfolgten, war beachtlich.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 09.10.2023

„Wie stark trifft der aktuelle Hype um Künstliche Intelligenz die Versicherungsbranche wirklich?“, wollte Moderator Franz Waghubinger von den Diskussionsteilnehmern am Podium wissen. „KI wird uns helfen, noch schneller und einfacher Prozesse zu gestalten“, so Zurich-Vorstand Andreas Heidl, „je größer die Datenmengen und das Unternehmen, umso mehr macht der Einsatz Sinn." „Wir haben derzeit einen Riesenhype um das Thema Künstliche Intelligenz“, meinte Michael Selb, Versicherungsmakler, Fachgruppenobmann Vorarlberg und Arbeitskreisleiter IT im Fachverband, auf die Maklerschaft werde das Thema aber später zukommen. Für die Makler seien Themen wie OMDS 3 und Kundenverwaltungssoftware aktuell deutlich interessanter.

Aktenschränke im Maklerbüro? Nein danke!

„Ich habe den Maklerbetrieb meines Vaters vor fünf Jahren mit Aktenschränken übernommen“, berichtete Angela Schrefl, Versicherungsmaklerin aus Murau, „mittlerweile läuft alles nur noch digital. Das ist die technische Revolution, die angesprochen wurde und uns Makler direkt betrifft. KI betrifft derzeit nur die Großen, die auch große Datensätze und andere Geldvolumina als wir haben.“

Gerhard Schuster, Geschäftsführer TOGETHER CCA GmbH und seit 30 Jahren in der IT-Branche zuhause, sieht in der Diskussion um KI so wie Michael Selb aktuell einen Hype: „Und Hypes neigen dazu, auch abzuebben. Die Versicherungswelt ist durchaus ein konservatives Umfeld, die KI dazu verwendet, um zu optimieren, ich sehe aber noch keine Ansätze, dass Künstliche Intelligenz wirklich eine komplette disruptive Veränderung im Versicherungsbereich bringen wird.“

Michael Posselt, stellvertretender Fachverbandsobmann der Finanzdienstleister: „Aus der Sicht der Finanzdienstleister, die auch mit Veranlagung und Kapitalmärkten zu tun haben, kann ich sagen: KI ist auf keinen Fall eine Revolution, maximal eine Weiterentwicklung. Computerunterstützte automatisierte Datenverarbeitung, Analysen, Trendfolgemodelle, computerunterstützte Wertpapiergeschäfte gibt´s ja schon länger. Wir brauchen uns keine Sorgen machen, dass da etwas kommt, was uns vom Markt spülen könnte.“

Versicherungswirtschaft im Dornröschenschlaf?

Moderator Franz Waghubinger veranlasste diese erste Meinungsrunde zur Frage: Glaubt ihr nicht, dass sich die Versicherungswirtschaft ein wenig im Dornröschenschlaf wiegt? Angela Schrefl ist überzeugt, dass sich die Maklerbüros durch die Automatisierung von Abläufen wie etwa der Schadenabwicklung in der Struktur stark verändern werden, nicht jedoch die Beratung beim Endkunden.

Andreas Heidl warf ein, am wichtigsten sei die Frage: „Wie können moderne Technologien unseren Arbeitsalltag erleichtern? Die KI könne jeder Branche helfen und brachte ein Beispiel aus der Praxis: „Füttert einmal ChatGTP mit einem 30-seitigen Rechtsanwaltsschreiben zu einem Schadenfall!“ Innerhalb 15 Sekunden könne ChatGTP das Schreiben auf eine Seite zusammenfassen. Das werde keinen Arbeitsplatz in der Schadenabteilung kosten, aber allen Beteiligten ermöglichen, schneller in das Thema reinzukommen.

Wo sehen die Diskutanten die nächsten Schritte? „Überall dort, wo mit vielen Daten gearbeitet wird“, sagt Andreas Heidl. Eine automatische Schadenablehnung durch KI sei jedoch für ihn ein No Go: „Dabei alle regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, steht kein Unternehmen durch.“ KI sei aber geeignet, Prozesskosten zu minimieren, Mitarbeiter schneller in ihrer Arbeit zu machen und 08/15-Abläufe automatisiert abwickeln zu können.

Maklerschaft hat Hunde- und Katzenkunden

Michael Selb verwies darauf, dass die Kunden der Makerschaft alles andere als homogen seien und zitierte Gerhard Veits: „Wir haben entweder Katzenkunden oder Hundekunden. Die Hundekunden gehen überall mit, da ist eine unglaubliche Bindung und ein Vertrauen zum Makler da. Die Katzenkunden gehen nicht mit. Wenn die sagen: Die Firma XY ist gut, aber der Berater ist mir wurscht, dann glaube ich, dass diese neuen Trends um KI und Digitalisierung einen großen Einfluss haben könnten.“ Persönliche Betreuung werde jedoch auch in Zukunft ein Mehrwert bleiben.

Gerhard Schuster warf ein, dass generative KI wie ChatGTP Evolutionen bewirken könne, die zwar ganz nett seien, aber die Branche im „Daily business nur ein bisserl weiterbringen“, das Geschäftsmodell jedoch nicht völlig verändern. Es gebe aber in Zukunft Ausprägungen von KI, die das Potenzial haben, den Business-Prozess völlig zu transformieren und nicht nur zu optimieren. „Wir kratzen da heute noch auf der Spitze des Eisbergs“, so der TOGETHER CCA Geschäftsführer.

Angela Schrefl verwies auf den Stellenwert der Prozessoptimierung durch Digitalisierung im Maklerbüro: „Ich habe den Betrieb mit drei Mitarbeiterinnen im Innendienst übernommen und habe heute zwei Mitarbeiter, die geringfügig angestellt sind. Ich habe aber weder die Kundenzahl noch die Zahl der Verträge reduziert. Ich habe einfach die Technik genutzt, die mir zur Verfügung steht. Das ist nicht nur ein Kostenfaktor, der mir zu Gute kommt, sondern auch ein Zeitfaktor. Die Kunden sind bei mir geblieben, weil sie mich kennen und mir vertrauen. Der Kunde ist froh, wenn er wegen einer Autoanmeldung nicht zu mir ins Büro fahren muss.“

Von alten Zöpfen muss man sich trennen

Michael Posselt ergänzte, dass Prozessoptimierung den Vermittlern ermögliche, sich auf die persönliche Beratung zu konzentrieren. Der Kunde sei nicht für einen Produktvergleich ausgebildet und brauche den Berater als Lotsen. KI und Digitalisierung spielen gut aufgestellten Beratern in die Hände, den Berufsstand noch weiter nach oben zu bringen.

Ist die Versicherungsbrache fit für die Zukunft? Verglichen mit jungen Branchen wie der Telekommunikation hinke die Versicherungswirtschaft natürlich hinten nach. Gerhard Schuster verwies darauf, dass in der Versicherungswirtschaft vielfach noch veraltete Systeme laufen, eine Modernisierung sei ein langer Prozess. Das unterstrich auch Andreas Heidl: Sich von alten IT-Systemen loszueisen, sei nicht so einfach und brauche Zeit. Aber: „Von alten Zöpfen muss man sich trennen, sonst spielt man in Zukunft nicht mehr mit.“

Foto oben: Das Podium von links: Andreas Heidl, Michael Selb, Angela Schrefl, Gerhard Schuster, Michael Posselt und Moderator und AssCompact-Herausgeber Franz Waghubinger.

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