Seit Jahresanfang sind normierte „Beipackzettel“ für bestimmte Anlage- und Versicherungsprodukte auszuhändigen. Sie sollen den Anlegerschutz verbessern – doch gelingt das wirklich?
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 17.04.2018
Die „Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte“, kurz PRIIP-Verordnung, trat Ende 2014 in Kraft und ist seit 1. Jänner 2018 anzuwenden. Welche Auswirkungen sie auf Branche und Verbraucher hat, diskutierte das Institut für Versicherungswirtschaft an der JKU Linz im Rahmen seiner diesjährigen Frühjahrsveranstaltung.
Standard-Information „schreckt eher ab“
Mit der PRIIP-Verordnung müssen Versicherer normierte Standardinformationen bereitstellen, ohne auf die individuellen Details des jeweiligen Produktes einzugehen. „Das ist zweifellos gut gemeint, mit konkurrierenden Informationspflichten und einem Mehr an Verkaufsbürokratie schreckt die PRIIP-Verordnung jedoch eher ab, als sie Vertrauen und Klarheit beim Konsumenten schafft“, sagt Generaldirektor Dr. Josef Stockinger (r.), Vorsitzender des Versicherungsinstituts. Der ohnehin nicht einfache Vorsorgemarkt werde weiter verkompliziert und Konsumenten verunsichert. „Ein millionenfach bewährtes Produkt wie die klassische Lebensversicherung mit Garantieverzinsung, bei der das Risiko vom Versicherungsunternehmen und nicht vom Kunden selbst getragen wird, gerät so in die Nähe eines Hochrisikoinvestments“, kritisiert Stockinger.
Sprachliche Unklarheiten
Der Wert einer standardisierten Information, die nicht auf die individuelle Situation eingeht, sei in der Lebensversicherung fraglich, so Dr. Klaus Wegenkittl (l.), Leiter des Aktuariats der ERGO Versicherung in Österreich. Tatsächlich weichen die standardisierten Berechnungen der sogenannten Key Information Documents (KID) von jenen aus den individuell gestalteten Produktanträgen mitunter beträchtlich ab.
Für noch problematischer hält Wegenkittl die schwierige Vergleichbarkeit des Antragstextes mit den neuen, sprachlich genormten Textbausteinen der „Beipackzettel“. Die amtliche deutsche Übersetzung folge dabei nämlich kaum dem üblichen Sprachgebrauch der Versicherungswirtschaft. So ist beispielsweise von einer „Anlage“ die Rede, gemeint ist jedoch die vorgeschriebene Versicherungsprämie. Der Begriff „Versicherungsprämie“ bezieht sich hingegen rein auf die sogenannte Risikoprämie. Damit ist jenes Entgelt gemeint, das für den Versicherungsschutz im Ablebensfall erforderlich ist. „Die wohlüberlegte Anlageentscheidung des Konsumenten ist so wohl nur schwer zu erreichen“, so Wegenkittl.
Ablebensversicherung gilt als riskant
Die Einstufung des Veranlagungsrisikos auf einer siebenstufigen Skala wird vor allem bei Lebensversicherungen mit Ablebensschutz als problematisch gesehen. Weil die dafür zu entrichtende Risikoprämie Rendite und Ablaufwert verringert, sind derartige Produkte im Sinne der Verordnung als riskant anzusehen. Die Betrachtung einer Risikoabsicherung als vermeintliches Veranlagungsrisiko erscheine „unfair und paradox“.
Unrealistische Berechnungsmodelle
Auch bei der Ermittlung der zu erwartenden Gewinnbeteiligung gehe die PRIIP-Verordnung ihren eigenen Weg. War die Simulation zukünftiger Erträge auf Basis eines Beobachtungszeitraums in der Vergangenheit bisher gesetzlich verboten, ist nun genau dies vorgesehen. Die nunmehr vorgeschriebenen Berechnungsmodelle liefern jedoch bei weniger repräsentativen Zeiträumen zwar mathematisch richtige, jedoch unrealistische Ergebnisse.
Veranlagung ohne Kosten nicht möglich
Nicht zuletzt werde für Versicherungsprodukte eine „völlig unübliche und wenig aussagekräftige“ Kostenzerlegung verlangt. Neben den tatsächlichen Veranlagungskosten ist die jeweilige Veranlagung auch „netto“, also ohne jede Kosten, darzustellen. Weil es in der Realität nicht nur in der Lebensversicherung, sondern auch bei alternativen Produkten keine kostenneutrale Veranlagung geben könne, erscheine der Ausweis solcher „virtueller“ Beträge nicht sinnvoll.
Insgesamt befürchten die Experten einen „Informations-Overkill“ für den Kunden. Auch wenn eine erhöhte Transparenz und Vergleichbarkeit grundsätzlich zu begrüßen seien, werde auch durch die zusätzlich mit der IDD kommenden Informationspflichten eine mögliche Überforderung des Konsumenten befördert.
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