Einmal mehr beschäftigte sich der OGH mit der zeitlichen Einordnung des Versicherungsfalles (Verstoßzeitpunkt) in der Rechtsschutzversicherung sowie mit der Nachmeldefrist (Nachhaftung). Letztlich war der Versicherer hier leistungsfrei (OGH 7 Ob 213/20d, versdb 2021, 23).
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 19.04.2021
Die Klägerin (VN) hatte mit der Beklagten (Versicherer) einen – mit 31.3.2017 beendeten – Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die ARB 2012 zugrunde lagen; diese lauten auszugsweise wie folgt:
„Artikel 2 Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
...
3. In den übrigen Fällen … gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, ...
Artikel 3 Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung (zeitlicher Geltungsbereich)
1. Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten.
...
3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als 2 Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.“
Entscheidung des OGH zum Verstoßzeitpunkt (Zeitpunkt Eintritt Versicherungsfall):
Hier liegt der Keim des Rechtsstreits in der mangelhaft erbrachten Werkleistung der Klägerin bis Jänner 2017. Der Versicherungsfall ereignete sich damit jedenfalls während der Laufzeit des Versicherungsvertrags; auf von der Klägerin im Februar 2017 durchgeführte Restarbeiten, auf ihr allfälliges subjektives Bewusstsein vom Verstoß, darauf, dass sie in der Folge auf die Rechnungslegung vergaß, oder auf den Umstand, dass die Auftraggeberin der Klägerin auch der zweieinhalb Jahre später erstatteten Schlussrechnung entgegentrat, kommt es für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht an.
Entscheidung des OGH zur Nachmeldefrist (Nachhaftung):
Art 3.3 ARB 2012 regelt in diesem Sinn einen Risikoausschluss. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko geltend gemacht, soll, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalls erlangt, kein Versicherungsschutz bestehen. Der Zweck von Ausschlussfristen in Versicherungsbedingungen liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, also darin, den (verspätet in Anspruch genommenen) Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs zu schützen und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeizuführen. Es soll damit eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät-)Schäden bewirkt werden. Ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko soll ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden.
Dem Art 3.3 ARB 2012 wortgleiche oder vergleichbare Ausschlussklauseln in der Rechtsschutzversicherung waren bereits mehrfach Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen (7 Ob 22/10a, 7 Ob 201/12b, 7 Ob 31/20i); die Klausel hat demnach folgenden, bei Unternehmergeschäften wie hier zulässigerweise geltungserhaltend reduzierten Inhalt:
„Vom Versicherungsschutz sind Versicherungsfälle ausgeschlossen, die dem Versicherer später als (hier) zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko gemeldet werden, wenn den Versicherungsnehmer an der verspäteten Meldung ein Verschulden trifft oder er unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt, es aber im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG unterlässt, unverzüglich eine Schadensmeldung an den Versicherer zu erstatten.“
Die Auftraggeberin (der Klägerin) machte mit ihrer Mängelrüge vom 3. 1. 2017 deutlich geltend, dass die Klägerin gegen ihre sich aus dem Werkvertrag ergebenden Pflichten zur ordnungsgemäßen und mängelfreien Werkerstellung verstoßen habe. Es steht nicht fest, ob die Klägerin diese Mängel behob; sie wusste daher, dass noch Streitpunkte mit ihrer Auftraggeberin bestanden und nicht endgültig ausgeräumt waren, meldete diesen offensichtlichen Rechtsstreit jedoch bis Oktober 2019 nicht. Abgesehen davon, dass auch der festgestellte Umstand, wonach die Klägerin in der Folge auf die Rechnungslegung mehrere Jahre lang vergessen hat, keine unverschuldete Unkenntnis vom Versicherungsfall begründet, gilt die Anzeigeobliegenheit nach Ablauf des Vertrags uneingeschränkt: Der Versicherungsnehmer hat dann alle Versicherungsfälle dem Versicherer unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und nicht mit der Anspruchsverfolgung zu zögern oder zuzuwarten, bis sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen (vgl auch 7 Ob 206/19y).
Ergebnis
Hier liegt zwar der Verstoßzeitpunkt noch in der Laufzeit des Rechtsschutzversicherungsvertrages, allerdings hat der VN im vorliegenden Fall nach Beendigung des Versicherungsvertrages viel zu lange mit der Meldung des Versicherungsfalles zugewartet. Die fixe Nachmeldefrist von in diesem Fall 2 Jahren muss lt. OGH bei Unternehmerverträgen derart ausgelegt werden, dass eine Meldung nach Ablauf der Frist noch ausreicht, sofern den VN an der verspäteten Meldung kein Verschulden trifft oder er unverschuldet erst nach Ablauf der Nachmeldefrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt und unverzüglich eine Schadenmeldung erstattet.
Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print
Titelbild: ©TRFilm – stock.adobe.com
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