Der Mieter eines Gebäudes hat Schweißarbeiten an einer Fahrzeugkarosserie verrichtet und nach Beendigung der Arbeiten verabsäumt, eine erste Nachkontrolle durchzuführen. Es kam zu einem Gebäudebrand. Der OGH musste nun die Frage beantworten, ob die Gebäudeversicherung beim Mieter des Gebäudes wegen grober Fahrlässigkeit regressieren kann.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 16.04.2021
Was ist passiert?
Im vorliegenden Fall war der Beklagte gewerblicher Mieter eines Gebäudes, das bei der Klägerin feuerversichert war. Der Beklagte hat zunächst Schweißarbeiten an einer Fahrzeugkarosserie verrichtet. Unmittelbar nach Beendigung der Arbeiten hat er es verabsäumt, eine erste Nachkontrolle durchzuführen. Der Beklagte ließ das Fahrzeug vielmehr ohne weitere Maßnahmen und Kontrollen unbeaufsichtigt, um sich zu einem Kunden zu begeben. Bedingt durch die Schweißarbeiten kam es zu einem Gebäudebrand, wobei die Schäden von der Klägerin beglichen wurden. In seiner Entscheidung vom 21.10.2020 (7 Ob 106/20v) musste der OGH schließlich die Frage beantworten, ob sich die Gebäudeversicherung beim Beklagten als Mieter des Gebäudes erfolgreich wegen grober Fahrlässigkeit regressieren kann.
Wie ist die Rechtslage?
Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH ist grobe Fahrlässigkeit im Bereich des Versicherungsvertragsrechts dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls herbeizuführen oder zu vergrößern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe liegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht.
Nach Ansicht des OGH handelt es sich bei Schweißarbeiten um eine systembedingt brandgefährliche Tätigkeit. Im vorliegenden Fall hat die Brandgefahr aufgrund der hohen Leitfähigkeit die gesamte Karosserie betroffen und war daher besondere Vorsicht geboten. Nach dem Stand der Technik war eine erste Nachkontrolle unmittelbar nach Beendigung Schweißarbeiten (Kaltblasen) vorgesehen und zählte eine solche Kontrolle aus technischer Sicht noch zum Schweißvorgang selbst. Die Schadenswahrscheinlichkeit bei einem derartigen Vorgehen war daher nach Ansicht des OGH offensichtlich, weshalb die unterlassene Nachkontrolle unter den festgestellten Umständen als grobe Fahrlässigkeit beurteilt wurde.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Schweißarbeiten an einer Fahrzeugkarosserie sind als systembedingt brandgefährliche Tätigkeiten einzustufen. Kümmert man sich unmittelbar nach solchen Arbeiten nicht um eine Nachkontrolle, sondern lässt die Fahrzeugkarosserie ohne weitere Maßnahmen unbeaufsichtigt, so ist dies als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Im vorliegenden Fall war daher ein Regress gegen den Beklagten als Mieter des feuerversicherten Gebäudes gerechtfertigt.“
Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Titelbild: ©maxhalanski – stock.adobe.com
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