Der OGH hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der sog. Katastrophenklausel in der Rechtsschutzversicherung auseinanderzusetzen. In älteren Rechtsschutzversicherungsbedingungen war der Begriff „Katastrophe“ regelmäßig nicht eigens definiert ,sodass zunächst Begriff und Reichweite dieser Ausschlussklausel zu klären war. In der E 7 Ob 243/08y hatte sich der OGH damit auseinanderzusetzen, nachdem es im Jahr 2005 nach schweren Niederschlägen in weiten Gegenden Österreichs v.a. in Vorarlberg, im Tiroler Oberland und im Außerfern zu einer extremen und großflächigen Hochwassersituation gekommen und daraufhin ein Damm gebrochen war und die Frage zu klären, war ob dies eine Katastrophe i.S.d. damaligen ARB war.
Artikel von:
Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA
Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien
Als offenkundige Folge der Entscheidung OGH 7 Ob 243/08y wurde in die Muster-ARB eine Definition des Begriffs „Katastrophe“ aufgenommen, die nach Art 7.1.2. [Muster-]ARB 2015 dann vorliegt, „wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.“
Diese Katastrophendefinition der Muster-ARB 2015 findet sich wortgleich in der soeben veröffentlichten Entscheidung des OGH 7 Ob 160/22p als dortiger Art 7.1.1.2 ARB 2018. Auf Basis einer Verbandsklage hat sich das Höchstgericht nun u.a. mit der Frage der ausreichenden Transparenz der Klausel beschäftigt.
Dabei hält der OGH zunächst fest, dass der Begriff der Katastrophe eine im allgemeinen Sprachgebrauch verständliche Bedeutung hat. Unter Rückgriff auf die Entscheidung 7 Ob 243/08y erläutert er, dass der Begriff ein besonders schweres Schadensereignis charakterisiert, ohne nach dessen Ursachen dafür zu differenzieren.
Der in der Klausel verwendete Begriff der Katastrophe sei – so der OGH weiter - im allgemeinen Sprachgebrauch verankert und werde vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer mit einer plastischen Vorstellung eines – im Gegensatz zur „Ausnahmesituation“ – stets überindividuellen Schadenereignisses verbunden. Durch die Ausnahme der Katastrophe aus dem Versicherungsschutz werde der Verbraucher damit nicht über die Rechtsfolgen getäuscht oder ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt.
Das Fazit des OGH
Die Klausel: „Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Katastrophen; eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht“ ist gesondert zu betrachten und weder intransparent noch gröblich benachteiligend.
In der der Praxis werden die Risikoausschlüsse der Ausnahmesituation und der Katastrophe i.d.R. in eine gemeinsam Klausel gepackt, die in Anlehnung an die Muster-ARB 2015 oftmals wie folgt lautet: Es besteht „kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind sowie mit Katastrophen.“
Für die Praxis
Der OGH hat mit seinen Entscheidungen OGH 7 Ob 243/08y (zur Katastrophe) sowie OGH 7 Ob 169/22m und 7 Ob 42/21h (zur Ausnahmesituation; siehe dazu bereits AssCompact online - Recht & Wissen, 6.12.2022) zuletzt durchaus unterschiedliche Entscheidungen gefällt, die für die Praxis im Überblick wie folgt zusammengefasst werden können:
Ausnahmesituationsklausel (Wortlaut wie Muster-ARB 2015):
- Die Ausnahmesituationsklausel ist nach OGH 7 Ob 169/22m intransparent i.S.d. § 6 Abs 3 KSchG. Auch wenn die Verbandsklage nur unmittelbare Wirkung auf den betroffenen Versicherer und die von ihm verwendeten ARB hat, werden sich die Gerichte auch bei anderen Versicherern an dieser Entscheidung orientieren müssen. Insofern kommt dem Urteil – jedenfalls indirekt – grundlegende Bedeutung zu.
- Ist der VN hingegen Unternehmer, greift die Intransparenz nicht, da § 6 Abs 3 KSchG im beiderseitig unternehmensbezogenen Geschäft nicht anzuwenden ist. Nachdem i.S.d. OGH-E 7 Ob 42/21h die Ausnahmesituationsklausel nicht gröblich benachteiligend ist, muss der Unternehmer-VN sie daher ggf. gegen sich gelten lassen.
Katastrophenklausel (Wortlaut wie Muster-ARB 2015):
Diese ist weder intransparent noch gröblich benachteiligend.
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