Wohlhabende hatten in Vergangenheit immer Zugang zu qualifizierten Anlageberatern, während andere beim Portfolioaufbau auf sich allein gestellt waren. Heute schaffen Robo Advisors Abhilfe.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 02.08.2021
Robo Advisors gelten als einer der großen Trends unter Privatanlegern und versprechen, mittels künstlicher Intelligenz (KI) Vermögen vollautomatisiert anzulegen – unter günstigen Konditionen und mit guten Ergebnissen. Zusätzlich werden sie als Chance zur Demokratisierung der Vermögensverwaltung hochgelobt. Der menschliche Finanzberater wird von vielen bereits als Auslaufmodell verortet. Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Rainer Bartusch, Vorstandsmitglied des Österreichischen Verbandes Financial Planners, gibt eine Prognose zur Zukunft der digitalen Vermögensverwaltung ab und zeigt auf, wo sie an ihre Grenzen stößt.
Roboter mähen den Rasen, saugen den Boden und steuern Autos. Wenn viele Menschen bereit sind, einem Automatismus am Steuer ihr Leben anzuvertrauen, ist es doch naheliegend, das Sparschwein vertrauensvoll in die Hände eines Roboters zu geben – das dachten sich zumindest einige findige Fintech-Unternehmen und mittlerweile auch etablierte Banken, die Systeme entwickeln, welche mithilfe von künstlicher Intelligenz Geldgeschäfte managen. Während in Österreich der Markt für digitale Vermögensverwaltung von einem niedrigen Niveau aus laut Prognosen stark wachsen soll, konnten Robo Advisors in Märkten wie den USA oder China bereits namhafte Volumina an betreuten Kundengeldern erreichen. So wurden 2018 in Österreich rund 107 Mio. Euro von Robotern verwaltet, während es in den USA 241.046 Mio. und in China 73.745 Mio. Euro waren. Bis 2025 soll sich die weltweit verwaltete Summe auf 2,5 Billionen Euro belaufen. Ob die Algorithmen tatsächlich besser mit Geld umgehen können als Menschen, ist noch nicht entschieden. Schließlich handelt es sich um ein junges Phänomen.
Kunden müssen sich an Robo Advisors gewöhnen
„Digitale Vermögensverwaltung wird heute insbesondere bei kleineren Mandaten eingesetzt, wo alle Prozesse dem Standard entsprechen. Algorithmen können hier mittlerweile passgenau programmiert werden“ berichtet Bartusch, der neben seiner ehrenamtlichen Funktion beim Verband Financial Planners seit über 30 Jahren als Private Banker in der Ersten Bank in Wien tätig ist. Persönliche Beratungsgespräche sind eigentlich erst ab einem bestimmten Betrag möglich – und diese Tendenz wird sich ihm zufolge durch die vermehrten Regularien in diesem Bereich noch verstärken. Bartusch sieht dies allerdings nicht als negative Entwicklung, da die meisten Robo-Programme in puncto Qualität grundsätzlich gut aufgesetzt sind. „Wenn sich ein Einsteiger, beispielsweise ein Student, mit einigen Tausend Euro an den Kapitalmärkten versuchen will, sind digitale Vermögensverwaltungen ideal. Denn sie müssen kostengünstig sein, flexibel, und jederzeit zur Verfügung stehen“, sagt er. Was sich in der internationalen Finanzlandschaft bereits zeigt: Um die breite Masse an Kunden nicht zu verlieren, kann es sich kaum eine Bank noch leisten, auf einen digitalen Vermögensverwalter zu verzichten. Zwei der bekanntesten Lösungen hierzulande sind „George“ der Ersten Bank und „Carl“ des Bankhaus Carl Spängler. Wer über einen Robo Advisor Geld anlegen will, muss zunächst online eine Reihe von Fragen zur persönlichen Risikoneigung und den finanziellen Verhältnissen beantworten. Aus den Antworten ermittelt das System das passende Portfolio – ein Prozess, der sich von der gängigen Praxis in Filialbanken kaum unterscheidet. Bartusch ist überzeugt, dass Robo Advisors die neue Normalität bilden: „Ich traue mich zu prognostizieren, dass das Standard-Privatkundengeschäft ab 2030 mehrheitlich digital abgewickelt werden wird.“
Psychologie schlägt Robotern ein Schnippchen
Allerdings gibt es bei allem Licht auch Schatten – denn in einigen Fällen wird automatisierte Geldanlage dem Berater aus Fleisch und Blut zumindest in naher Zukunft nie das Wasser reichen können. „Sobald Wünsche über konventionelle Lösungen hinaus bestehen, wird es kompliziert. Etwa, wenn es darum geht, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, um einer ganzen Familie die Altersvorsorge auf den Leib zu schneidern“, sagt Bartusch. Er beobachtet insbesondere bei emotionalen Themen, wie Finanzierungen und Immobilienkauf, einen enormen Rückkopplungsbedarf – Kunden möchten sich persönlich versichern, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ebenso bildet der Finanzberater eine Kontrollinstanz. Denn auch wenn beim Ausfüllen des Fragebogens zu Beginn des Prozesses auf Gewissenhaftigkeit hingewiesen wird, tendiert der Mensch dazu, sich besser darzustellen – schließlich ist das Phänomen der „sozialen Erwünschtheit“ nicht erst seit gestern bekannt. Investoren, die sich für einen Robo Advisor entscheiden, sind auf sich allein gestellt und können keine andere Person für ihre Entscheidungen verantwortlich machen. Insbesondere betrifft das die Themen Kosten, Produktqualität und (mangelhafte) Marktkenntnisse. Somit ist ihre Selbstdisziplin umso mehr gefordert. Und auch wenn digitale Vermögensverwaltung mit günstigen Tarifen lockt, sollte man sich dem nicht ohne Prüfung hingeben. Bei größeren Summen haben Berater im Gegensatz zur digitalen Anlage zumeist Spielraum für günstigere Konditionen. Bei automatisierten Lösungen gilt es, auf versteckte Kosten zu achten – so können nicht nur Basisaufwendungen entstehen, sondern auch laufende Kosten und Kosten innerhalb eines Produktes. Umso wichtiger ist es dem Finanzexperten zufolge, auf seriöse Anbieter zu achten. „Wer nichts weiß, muss alles glauben. An diese Stelle ist daher Finanzbildung der beste Konsumentenschutz. In Basiswissen zu investieren, bringt immer noch die beste Rendite. Unabhängig davon, ob man sich für einen menschlichen Finanzberater oder einen Robo Advisor entscheidet“, ist Bartusch überzeugt.
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