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Schwerer Bootsunfall unter Alkoholeinfluss „Gefahr des täglichen Lebens“?

Schwerer Bootsunfall unter Alkoholeinfluss „Gefahr des täglichen Lebens“?

10. Mai 2021

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Der OGH musste entscheiden, ob bei einem schweren Bootsunfall unter Alkoholeinfluss eine „Gefahr des täglichen Lebens“ vorliegt und somit Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung besteht (OGH 7 Ob 47/21v, versdb 2021, 26).

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 10.05.2021

Der VN hat beim beklagten Versicherer einen Haushaltsversicherungsvertrag unter Einschluss einer Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH) 2010 zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:

„Artikel 30 Beschreibung des Versicherungsschutzes
1. Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, insbesondere
[…]
1.8 aus der gelegentlichen Verwendung, nicht jedoch der Haltung von Elektro- und Segelbooten;
1.9 aus der Haltung und Verwendung von sonstigen nicht motorisch angetriebenen Wasserfahrzeugen sowie von Schiffsmodellen;“

Der VN hat im alkoholisierten, § 6 Abs 1 SchFG deutlich verletzenden Zustand, äußerst waghalsige Fahrmanöver mit einem leistungsstarken (335 PS) Motorboot durchgeführt. Im Zuge eines derartigen Manövers (Powerturn) setzte er, ohne seine Mitfahrer zu warnen, zu einer massiven Rechtslenkung an. Aufgrund der dadurch ausgelösten Querbeschleunigungskräfte wurde ein Mitfahrer über die Bordwand ins Wasser geschleudert, von der Schiffsschraube des sich rückwärts bewegenden Motorboots erfasst und tödlich verletzt.

Der VN begehrte nun Deckung aus seiner Privathaftpflichtversicherung für diesen Schadenfall. Der Versicherer lehnte die Deckung ab, weil keine Gefahr des täglichen Lebens vorliege.

Was ist Gefahr des täglichen Lebens?

Der Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ist nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des VN jene Gefahren umfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss. Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschens nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt. Für das Vorliegen einer „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren geradezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich immer eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des VN. Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Entscheidung des OGH

Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass der VN eine besondere Gefahrensituation schuf, die nicht nur eine außergewöhnliche Gefahr für ihn selbst, sondern vor allem auch für seine – nicht gewarnten – Mitfahrer mit sich brachte, ohne dass dafür die geringste Notwendigkeit bestand, ihm dabei die Gefährlichkeit und die möglichen Folgen bewusst sein mussten und eine solche Situation erfahrungsgemäß auch im normalen Lebenslauf nicht immer wieder eintritt, weshalb die hier vorliegende Art der Verwendung des Motorboots jedenfalls nicht als Gefahr des täglichen Lebens zu werten ist. Diese Beurteilung ist nach Ansicht des OGH auch nicht korrekturbedürftig.

Anmerkung

Bereits im Jahr 2017 entschied der OGH betreffend Alkoholeinfluss und Privathaftpflicht (OGH 7 Ob 142/17h): Der VN, der auf einer Ausflugsbusfahrt alkoholisiert mitreisende Frauen wiederholt belästigt hatte, kam beim Aussteigen mit dem Ehemann einer der Belästigten in Streit, sodass andere Mitreisende zu schlichten versuchten. Darunter war auch die später Verletzte, die, nachdem sich der empörte Ehemann abgewandt hatte, beim VN stehen blieb. Dieser drückte sie sodann in Richtung eines dort befindlichen Zauns, worauf beide so über einen Randstein stürzten, dass der VN auf die Frau fiel, und sich diese einen Bruch des Schienbeinkopfs zuzog. Es liegt hier keine Gefahr des täglichen Lebens vor.

Auch beim bewussten Schaffen einer gefährlichen Situation liegt nach zahlreichen Entscheidungen des OGH meist keine Gefahr des täglichen Lebens vor (versdb print 2018 H 1, 4: „Gefahr des täglichen Lebens“ in der Privathaftpflichtversicherung):

  • Das bewusste Schaffen einer Situation, die eine Brandgefahr oder Explosionsgefahr mit sich bringt, aus bloßem Mutwillen gehört bei Erwachsenen nicht zur Gefahr des täglichen Lebens.
  • Bewusstes und gewolltes Entzünden eines leicht brennbaren Kleidungsstückes eines Betrunkenen stellt keine Gefahr des täglichen Lebens dar.
  • Das Anzünden eines mit Papierschnitzeln gefüllten Kartons, in dessen Umgebung leicht brennbare Stoffe gelagert waren, das aus purem Übermut, stellt keine Gefahr des täglichen Lebens dar.
  • Das Anzünden einer Benzinlacke mit einem Feuerzeug in einem dicht verbauten Wohngebiet ist keine Gefahr des täglichen Lebens.
  • Übergibt der VN einen Böller der Kategorie F4 einem Freund, der ihn bis zur Hälfte in einen Schlitz etwa in der Mitte eines Postkastens steckt und die Zündschnur in Brand setzt, bloß um das Geräusch der Explosion zu hören, schafft dadurch grundlos und damit mutwillig eine Situation, die nicht nur eine Gefahr für die Beteiligten (einer davon wird auch durch einen weggeschleuderten Teil des gesprengten Postkastens schwer verletzt) mit sich bringt, sondern auch für unbeteiligte Dritte. Dem erwachsenen VN hätten die möglichen Folgen, insbesondere die Explosionsgefahr und das damit verbundene Risiko von Verletzungen bewusst sein müssen. Es liegt keine Gefahr des täglichen Lebens vor.
  • Das Hinunterstoßen eines anderen auf einen zwei bis drei Meter tiefer gelegenen Schneehaufen, wobei der Gestoßene neben dem Schneehaufen landet und sich verletzt, ist noch Gefahr des täglichen Lebens.

Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

Titelbild: ©Jag_cz – stock.adobe.com

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