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Wie der Versicherungsvertrieb von „Amazonisierung“ profitieren kann

Wie der Versicherungsvertrieb von „Amazonisierung“ profitieren kann

07. Mai 2021

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8 Min. Lesezeit

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News-Management & Wissen

Die Corona-Krise hat die Beziehung zwischen Versicherern und Kunden verändert. Plötzlich mussten sich alle mit digitalen Angeboten und alternativen Kommunikationsformen befassen. Welche Vorteile daraus entstanden sind und welche Möglichkeiten der Versicherungsvertrieb ausbauen sollte, erklärt Martin Limbeck.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 07.05.2021

Natürlich gibt es in der Branche immer noch ein paar Stimmen, die davon ausgehen, dass es wieder „wie früher“ wird, sobald die Lockdowns Vergangenheit sind. Doch wieso sollte es dazu kommen? Sicherlich wird es erst mal wieder einen Anstieg bei der Zahl der persönlichen Termine geben. Einfach aus dem Grund, weil wir Menschen soziale Wesen sind. Was wir dabei jedoch nicht leugnen dürfen – wir sind auch ziemlich bequem. Mal Hand aufs Herz: Bei vielen Dingen können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen, für den Kauf das Haus zu verlassen. Weil alles Amazon für uns regelt, während wir bequem mit unserem Smartphone in der Hand auf der Couch liegen. Und genau das gilt auch für Versicherungen.

Der Branchenverband GDV hat vor Kurzem 32 Millionen aktive Kundenzugänge bei den zugehörigen Versicherungen gezählt. Und nicht nur das: Sie wurden auch bis zu 20% häufiger genutzt. Ich denke, damit ist eine Sache klar. Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben. Und als Vermittler oder Assekuranz haben Sie langfristig nur eine Chance, wenn Sie auf den Zug aufspringen und die Digitalisierung Ihrer Angebote weiter vorantreiben.

Wie viel Amazon steckt in Ihren Prozessen?

Durch die Krise haben sich nicht nur die Kommunikations­kanäle verändert, sondern auch die Erwartungen Ihrer Kunden. Einige Unternehmen und Branchen haben enorm davon profitiert, dass sie bereits digitale Angebote am Start hatten. Allerdings ist es nicht damit getan, eine App oder ein Kundenportal aus der Taufe zu heben. Hier gilt mehr denn je das Motto „ganz oder gar nicht“. Die App-Stores von Apple oder Google sind voll mit Anwendungen, die virtuell verstauben. Weil die Kunden sich nicht zurechtfinden und die App nach kurzem Ausprobieren wieder von ihrem Gerät schmeißen. Auch das ist eine Folge der vergangenen Monate: Kunden haben wesentlich mehr Erfahrungen im Umgang mit digitalen Produkten und Kommunikation gemacht, sodass ihre Bereitschaft, sich mit komplizierten Prozessen zu beschäftigen, deutlich gesunken ist. Alles muss schnell, einfach und selbsterklärend sein – vor uns liegt eine „Amazonisierung“ von Dienstleistungen.

Beispiel Kfz-Versicherung

Nehmen wir als Beispiel mal den Klassiker Kfz-Versicherung. Die R+V Allgemeine Versicherung AG hat jetzt mit ihrer vollautomatischen Schadensteuerung vorgemacht, was in den USA und Skandinavien bereits Standard ist. Mit nur einem Klick kann der Geschädigte auswählen, ob er Geld oder Reparatur möchte. Entscheidet er sich für die Zahlung, landet das Geld innerhalb eines Tages auf seinem Konto. Jenseits des großen Teichs ist das erst der Anfang. Dort kann der Kunde jederzeit online checken, wie der Stand der Dinge ist. Ob sein Auto schon begutachtet wurde, welche Teile nachbestellt wurden, ob diese bereits auf dem Weg zur Werkstatt sind und so weiter. So wie wir es von der Sendungsverfolgung bei Paketen kennen. Aus meiner Sicht eine kluge Idee, denn so fühlt sich der Kunde wesentlich mehr involviert. Und nicht nur das: Die Möglichkeit, sich zu jeder Zeit über den aktuellen Stand zu informieren, entlastet auch den Kundendienst beziehungsweise Sie als Vermittler. Denken Sie mal daran, wieviel Zeit Sie in der Vergangenheit mit Telefonaten mit Kunden verbracht haben, die „nur mal wissen wollten, wie es weitergeht“.

Das Beste aus beiden Welten

Ein Ja zu mehr Digitalisierung im Versicherungsbusiness bedeutet noch lange nicht, dass Sie an dem Ast sägen, auf dem Sie sitzen. Wieso kombinieren Sie nicht das Beste aus beiden Welten? Bieten Sie eine App oder ein Kundenportal, in der oder dem Ihre Kunden selbst aktiv werden können. Geben Sie Ihnen zugleich jedoch auch die Möglichkeit, mit Ihnen live und in Echtzeit dabei zu kommunizieren. Wie wäre es beispielsweise, wenn sich beim Klick auf ein Formular auf Ihrer Website automatisch ein Chat-Fenster öffnet? Verbunden mit dem Angebot, dass der Kunde eine Live-Videoberatung mit Ihnen oder einem Kollegen machen kann und durch den Prozess begleitet wird. Wir haben hier bereits sehr gute Erfahrungen mit dem Tool Pathadvice gemacht. Wer auf unsere Website geht und unter „Termine“ schaut, kann dort die digitale Online-Beratung live erleben. Sie können nicht nur per Video mit einem Interessenten sprechen, sondern ihm auch Angebote auf Ihrer Website zeigen, weitere Unterlagen via Chat schicken – und sogar eine rechtsgültige Vertrags­unterschrift ist möglich.

Kunden wollen Antworten von Menschen

Ein letzter Punkt, den ich herausstellen möchte, ist das Thema Kommunikationsgeschwindigkeit. Das Tempo hat enorm zugenommen – nicht nur in der Versicherungsbranche. Kein Kunde hat mehr die Geduld, lange auf eine Antwort zu warten. Die Folge: Immer mehr Menschen posten in den Social Media auf den Accounts der jeweiligen Unternehmen, wenn sie eine Herausforderung, Beschwerde oder eine Frage haben. Twitter hat dazu gerade seinen jüngsten „Customer Care Report“ veröffentlicht. Die Ergebnisse sind wirklich spannend. Im vergangenen Jahr wurden nämlich weniger als 5% dieser Anliegen von den angesprochenen Marken beantwortet. Das hat mich ehrlicherweise überrascht, denn darin steckt riesiges Potenzial. Sicher kennen Sie das „Beschwerde-Paradoxon“? Wenn es einem Unternehmen gelingt, die Reklamation zufriedenstellend zu lösen, werden gerade diese Kunden besonders treu und empfehlen den Dienstleister gerne weiter. Das bestätigt auch die Twitter-Studie: 96% der Nutzer, die sich an den Kundensupport wandten und eine positive Erfahrung machten, würden wieder bei dieser Marke kaufen.

Worauf warten Sie also noch? Geben Sie Ihren Kunden die Chance, Sie nicht nur „klassisch“ via Telefon oder E-Mail zu erreichen. Wichtig ist dabei, dass Sie die Fragen öffentlich beantworten und nicht per Direct Message. Denn nur so bekommen andere User mit, dass Sie auch wirklich auf die Kommentare reagieren. Social Media ist keine Einbahnstraße – gerade hier können Sie enorm bei Ihrer Zielgruppe und Ihren Kunden punkten, wenn Sie sich nahbar und menschlich zeigen – und schnell reagieren. Denn wer nicht innerhalb von einem Tag antwortet, hat den Interessenten oft schon an den Marktbegleiter verloren.

Fazit: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Krise hat der Digitalisierung in der Versicherungsbranche einen starken Anschub verpasst. Gut so! Anstatt darauf zu warten, dass alles wieder wie früher wird, sollten Sie lieber die Chancen ergreifen und überprüfen, welche Services Sie digital abbilden können. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Ihr Business für morgen aufzustellen und sich selbst mit den Tools und Techniken vertraut zu machen. Damit Sie Ihren Kunden zukünftig souverän begegnen – online wie offline.

Über den Autor:

Martin Limbeck ist Inhaber der Limbeck® Group ist Wirtschaftssenator (EWS), Mitglied des BVMW Bundeswirtschaftssenats und Experte für Sales und Sales Leadership.

Quelle: AssCompact Deutschland, bearbeitet AssCompact Österreich
Foto oben: Martin Limbeck

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