Bei der „Safe Harbour“-Strategie kauft ein größerer Makler lange vor der geplanten Übergabe das Unternehmen auf. Dieses Modell erscheint durchaus attraktiv und funktioniert zumindest so lange, wie der Käufer nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Doch eine Sache wird oft unterschätzt, weiß Andreas Grimm.
Mit der Strategie des „sicheren Hafens“ bei der Unternehmensnachfolge verhält es sich ein wenig wie mit der Speisekarte eines Restaurants, auf der auch Gerichte stehen, von denen man noch nie gehört hat. Will man sicher sein, etwas Vernünftiges serviert zu bekommen, wählt der sicherheitsorientierte Mensch gerne ein Gericht, dessen Zutatenliste ihm bekannt vorkommt oder unter dessen Bezeichnung er sich etwas Konkretes vorstellen kann. Was er wirklich bekommt, weiß er erst, wenn das Gericht vor ihm steht. Dass er besser etwas anderes gewählt hätte, weiß er dann, wenn er die Gerichte der Tischnachbarn gesehen und probiert hat – oder wenn seine Verdauungsorgane über Nacht verrückt spielen.
„Safe Harbour“-Strategie als Druckmittel
Die „Safe Harbour“-Strategie wird von vielen Bestandskäufern oder Unternehmenskäufern angeboten, um sich frühzeitig Übernahmekandidaten zu sichern, und manchmal auch, um Bestände günstig erpressen zu können. Die Anbieter argumentieren mit der Angst der Makler, den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf ihres Unternehmens zu verpassen oder gar keinen Nachfolger oder Käufer zu finden.
Bei der „Safe Harbour“-Strategie kauft ein größerer Makler lange vor der geplanten Übergabe das Unternehmen ganz oder teilweise auf und sichert sich die restlichen Anteile zum Beispiel über ein Vorkaufsrecht. Der bisherige Eigentümer erhält im Gegenzug bereits den anteiligen Kaufpreis für den verkauften Teil und bleibt noch einige Jahre in verantwortlicher Position im Unternehmen tätig. Scheidet er aus, kann er die restlichen Anteile entweder behalten, frei veräußern oder an den Mitgesellschafter verkaufen.
Dieses Modell erscheint durchaus attraktiv und funktioniert bei einem integren Käufer zumindest so lange, wie er nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.
Missbrauchs- und Täuschungspotenzial
Was jedoch von den meisten Verkäufern unterschätzt wird, ist das Missbrauchs- und Täuschungspotenzial, das in „Safe Harbour“ steckt. So kann der Käufer zum Beispiel den Unternehmenswert drastisch reduzieren, indem er Umsätze oder Umsatzbestandteile zur Muttergesellschaft verlagert oder der Tochtergesellschaft Kosten wie Konzernumlagen oder einen zusätzlichen Geschäftsführer auferlegt. Auch Vorgaben, woher Produkte oder Deckungskonzepte zu beziehen sind, können dazu führen, dass Erträge in andere Konzerngesellschaften umgelenkt werden. Die Muttergesellschaft profitiert durch höhere Erträge. Die Gesellschaft des Senior-Maklers verliert an Ertragskraft und muss beispielsweise die Ausschüttungen reduzieren.
Damit sinkt aber nicht nur das laufende Einkommen des Senior-Maklers aus Tantieme, Earn-out oder Beteiligung. Auch der Unternehmenswert sinkt erheblich. In der Folge sinkt auch der erzielbare Kaufpreis für die verbleibenden Anteile. Wenn sich überhaupt noch ein Käufer für die restlichen Anteile findet, dann nur zu einem reduzierten Kaufpreis.
Schon aus diesen Gründen kann ich das Modell nicht jedem Bestandshalter empfehlen. Der vermeintlich sichere Hafen entpuppt sich nicht selten als sehr vermintes Gewässer.
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren