Starkregen führte zu Wassereintritten und Schäden in Erdgeschosswohnungen eines 15 Jahre alten Mehrfamilienhauses. Das Wasser sammelte sich in Lichthöfen aufgrund heftiger Niederschläge, drang in den Boden und das Mauerwerk ein, nicht direkt in die Wohnungen. Die Versicherung lehnte die Deckung ab, da nur direkte Schäden durch Witterungsniederschläge versichert seien und außerdem der Risikoausschluss bei Überschwemmungen greife. ( 7 Ob 113/23b)
Artikel von:
Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand im Jahr 2021 ein Bündelversicherungsvertrag mit der Sparte Sturmschaden. Die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen lauteten auszugsweise wie folgt:
„[...] Nicht versichert sind, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadensereignisses:
[...]
2. Schäden durch Lawinen und Lawinenluftdruck, Sturmflut, Hochwasser, Überschwemmung und Vermurung.
[...]
4. Schäden durch Wasser
Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser sind aber versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden.
[…]
In Abänderung von Artikel 2 (Pkt. 4) der AStB 1998 leistet der Versicherer auch dann Entschädigung, wenn Gebäudeteile im Inneren der versicherten Gebäude durch Witterungsniederschläge (Niederschlagswasser, Schnee oder Hagel) beschädigt oder zerstört werden, welche durch Dach- oder Mauerteile bzw. durch ordnungsgemäß geschlossene Fenster oder Außentüren ins Gebäude eindringen, ohne dass ein Ereignis gemäß Artikel 1 der AStB 1998 einwirkt.“
Auf der versicherten Liegenschaft befindet sich ein ca. 15 Jahre altes, unterkellertes, mehrstöckiges, in Massivbauweise errichtetes Mehrfamilienhaus. Am 17.07.2021 kam es auf der versicherten Liegenschaft aufgrund eines Unwetters mit Starkregen bei den Erdgeschosswohnungen auf vier Stiegen zu Wassereintritten und Schäden. Es handelt sich um zweigeschossig ausgeführte Erdgeschosswohnungen, deren unteres Geschoss unter dem Straßenniveau im Keller des Gebäudes liegt. Es gibt eigene Lichthöfe, die mit einem Bodenablauf und mit einem Rigol in Kellerbodenniveau ausgeführt sind. Diese haben eine Fläche von jeweils rund 5 m² und dienen der Ableitung von Witterungsniederschlägen. Am Schadenstag gab es derart heftige und schwere Niederschläge, dass sich das Niederschlagswasser in den Lichthöfen ansammelte und nicht mehr abfließen konnte, sodass das aufgestaute Wasser in den Bodenaufbau und in das Mauerwerk eindrang. Die Schäden entstanden nicht dadurch, dass das Regenwasser direkt in die Wohnungen eindrang.
Der Versicherer lehnte eine Leistung aus der Sturmschadenversicherung mit der Begründung ab, dass nur solche Schäden gedeckt seien, die durch direkte Einwirkung von Witterungsniederschlägen, und nicht durch Ansammlung von Wasser, das in das Gebäude eindringe, verursacht worden seien. Außerdem seien die Schäden durch eine Überschwemmung entstanden, sodass der entsprechende Risikoausschluss greife.
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 22.11.2023, Aktenzeichen: 7 Ob 113/23b, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass das gegenständliche Bedingungswerk auch Schäden in die Versicherungsdeckung einschließt, wenn Gebäudeteile im Inneren des versicherten Gebäudes durch Witterungsniederschläge (zB Niederschlagswasser) beschädigt oder zerstört werden, welche (unter anderem) durch Mauerteile ins Gebäude eindringen.
Unter einem „Eindringen von Witterungsniederschlägen“ im Sinn der gegenständlichen Versicherungsbedingungen verstehe der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer auch den Fall, dass in einem umschlossenen Hof angesammeltes Niederschlagswasser seinen Weg über Mauerteile ins Gebäude findet. In dieser Klausel finde sich kein Anhaltspunkt, dass nur Schäden ersetzt würden, die durch direkte Einwirkung von heftigen Witterungsniederschlägen entstanden seien. Auch die Ansicht des Versicherers, wonach kein „Niederschlagswasser“ mehr vorliege, sobald dieses auf den Boden auftreffe, könne der durchschnittliche Versicherungsnehmer weder dem Wortlaut der Bedingung noch dem allgemeinen Sprachgebrauch entnehmen. Es bestehe daher grundsätzlich Versicherungsdeckung.
Fraglich war daher noch, ob der Risikoausschluss greift, wonach Schäden durch „Überschwemmung“ für nicht versichert erklärt werden. Nach Ansicht des OGH impliziere der Begriff „Überschwemmung“, dass sich Wasser auf einem nicht unerheblichen Teil von Grund und Boden des Versicherungsorts ansammelt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehe darunter kein kleinräumiges Ereignis wie in Lichthöfen stehendes Regenwasser.
Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass der Risikoausschluss der „Überschwemmung“ im vorliegenden Fall nicht verwirklicht ist, sodass der Versicherer für die geltend gemachten Schäden dem Grunde nach Deckung zu gewähren hat.
Schlussfolgerungen
Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer versteht unter dem Begriff „Überschwemmung“ eine großräumige Überflutung. Eine kleinräumige Ansammlung von Wasser, wie in kleinen Lichthöfen stehen bleibendes Regenwasser, fällt daher nicht unter diesen Begriff.
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