Dr. Thomas Reischauer, MBA, Geschäftsführer Reischauer Consulting GmbH, Wels, hat bereits viele Jahre Erfahrung als Berater in Sachen Unternehmensnachfolge. Welche Trends er dabei in Österreichs Maklerschaft beobachtet und was man generell bei einer erfolgreichen Betriebsübergabe beachten sollte, darüber spricht Thomas Reischauer im Interview.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 02.08.2023
Foto: Dr. Thomas Reischauer, MBA, Geschäftsführer Reischauer Consulting GmbH, Wels
Aktuell beobachtet Thomas Reischauer vor allem drei Trends bei der Übergabe von Maklerbetrieben: „Erstens, den eindeutigen (und nicht umkehrbaren) Trend zur Fremdübernahme von Maklerbetrieben, zweitens den Trend zur zunehmenden Digitalisierung, nicht nur von Maklerbetrieben, sondern auch in der Versicherungswirtschaft verknüpft mit den ersten Anzeichen, dass Künstliche Intelligenz immer mehr im Service und Dienstleistungsbereich eingesetzt wird, und drittens den Trend zur Spezialisierung – der Übernehmer setzte neue Impulse und Schwerpunkte, was nunmehr die Produkte oder die angesprochene Zielgruppe betrifft, dadurch werden sie, insbesondere in städtischen Agglomerations-Bereichen viel besser wahrgenommen.“
„Verschriftlichung und Digitalisierung ist das Gebot der Stunde“
Beim Bestandsverkauf an eine Maklerkooperation oder eine/n Maklerkollegen/in ist laut Reischauer zu beachten, was üblicherweise für eine normale Unternehmensführung gilt: „Gerade die rechtlichen Regulative wie Vollmachten, Protokolle und dergleichen klar einzuhalten und die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und der DSGVO im Betrieb entsprechend zu verankern und laufend zu beachten. Verschriftlichung und Digitalisierung ist das Gebot der Stunde, am besten unter Zuhilfenahme der marktgängigsten Programme, die hier bestmöglich unterstützen. Dann können Bestand und Risiken klar geprüft und bewertet werden.“
Damit eine Betriebsübergabe bzw. -übernahme funktioniert, sei vor allem fachliche Erfahrung vor der Übergabe, hohe Kommunikationsfähigkeit und erste Erfahrungen in der Führung von Bereichen und Teilbetrieben nötig. „Besonders wichtig: Übernahmewille und Übernahmebereitschaft, die Bereitschaft, mit Menschen etwas gestalten und verändern zu wollen. Und nicht zuletzt sollte der/die Übernehmer/in Menschen mögen und kaufmännische Kenntnisse und eine gute finanzielle Basis haben“, rät Reischauer.
Bewertung des Maklerbestandes
Bei der Bewertung des Maklerbestandes sollte man sich laut Reischauer folgende Parameter genauer ansehen:
- Zielgruppenausrichtung (Relation privat im Vergleich zu Unternehmen; teilweise weitere Konzentration auf bestimmte Unterzielgruppen, wie z.B. Einkommensschwerpunkte der Kunden …)
- durchschnittliches Alter der Versicherungsverträge im Bestand (wie sind diese gepflegt worden, aktuelle Vertrags- und Bedingungsstände etc.),
- Versicherungsparten und Versicherungsunternehmen, mit dem man schon länger zusammenarbeitet
- Spezialprodukte des Versicherungsmaklers, Alleinstellungsmerkmale bei bestimmten Zielgruppen, Experten-Spezialistenstatus der Kanzlei/des Maklers
- Verträge, Dokumentationsqualität, DSGVO und IT
- noch ungehobene Verkaufspotenziale (Cross-Selling) im Kundenbestand
- Betriebswirtschaftliche Ergebnisse (Erlöse, Jahresgewinn, Provisionserträge und Höhen, weitere Erträge, EGT als Jahresgewinn vor Steuern und vor Rücklagenbewegungen, Umsatz/EGT Relation, …)
- Rechtsform des Unternehmens
- regionale Marktdurchdringung
- motivierte, gut weitergebildete und regional gut verankerte Mitarbeiter mit hoher Kommunikationsfähigkeit
- u.v.m
„Das Unternehmen ist so zu führen, als ob es gerade eben gegründet worden wäre“
Um den Wert des Bestands zu erhöhen, rät Reischauer zu einem gut funktionierenden Betrieb mit einem erfahrenen Mitarbeiterstamm und einem treuen und guten Kundenstock, mit dessen Potenzialen man den Kaufpreis für ein Unternehmen bestmöglich und schnellstens zurückzahlen kann (Zeitraum zwischen fünf und acht Jahren, längere Finanzierungsdauern werden von kreditgebenden Banken und Förderstellen einem Betriebskäufer nicht eingeräumt). „Daran hat der Betriebsübergeber und zukünftige Betriebskäufer in den letzten Jahren vor seiner Übergabe zu arbeiten. Das Unternehmen ist also so zu führen, als ob es gerade eben gegründet worden wäre – nachlassen und nichts mehr neu machen ist da fehl am Platz“, so Reischauer.
Folgende Punkte sind wichtig:
- Das EBIT (=Betriebsergebnis) und der Cashflow müssen passen, sie liefern die erste Orientierung zum Ertrag und zur Amortisationsfähigkeit des Kaufpreises
- Ein eingespieltes und funktionsfähiges Team, mit vielen Leistungsträgern und einem erprobten und funktionierenden Geschäftsmodell.
- Ein effizientes und effektives Abwicklungssystem mit einer funktionierenden Infrastruktur (Team, Organisation, Prozesse, IT und Marketing) sowie einem soliden und belastbaren Controlling
- Hohe wiederkehrende Umsätze, rechtssichere und langfristige Verträge, treue Kunden und Wiederkäufer stellen einen nicht unterschätzenden Faktor dar.
- Eine gute IT-Struktur und lückenlose sowie aktualisierte Dokumentation führen zu Vertrauen.
- Umso transparenter und attraktiver die Firma dargestellt werden kann, umso geringer erscheinen die Risiken für einen Käufer und umso höher ist der Preis.
„Über kurz oder lang muss sich jedes Maklerbüro mit dem Einsatz von KI auseinandersetzen müssen“
Reischauer ist überzeugt, dass vor allem der Digitalisierungsgrad erfolgsentscheidend für die Zukunft eines Maklerbüros sei. „Die Geschäftsprozesse – Kernprozesse wie Kundenkommunikation, Verkaufs- und Serviceprozesse mit Angeboten, Protokollen, Vertragseingaben, Schadensanmeldung und Schadensabwicklung u.v.a.m. – können hier optimiert und verkürzt werden, man spart sich Personalressourcen ein, die wiederum in die persönliche Kommunikation und in zusätzlichen Verkäufen münden können oder die helfen, den Personalengpass da oder dort zu überwinden.“
Auch unterstützende Prozesse können laut Reschauer mit der Digitalisierung verkürzt und verbessert werden. „Da gehts um Personalverrechnung, Buchhaltung, Controlling, das Rechnungswesen generell, Marketing, die Homepage, Social Media Kanäle, (eigene) Apps, Online Produkte … Ziel dabei ist, diese sogenannten unproduktiven Tätigkeiten auch für kleinere Maklerbetriebe machbar und administriert dazu halten und letztendlich, wenn es um Marketing geht, immer als persönliche Marke beim Kunden präsent zu sein und zu bleiben.“
Zudem ist Reschauer sicher, dass man sich mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz früher oder später auseinandersetzen müsse. „Aktuell glaubt noch jeder beratende Betrieb, dass er persönlich unersetzbar ist. Aus meiner Sicht, auch wenn es meine Branche direkt betrifft, eine Fehlmeinung.“
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