„Dread Disease“ heißt übersetzt etwa „gefürchtete Krankheit“. Dabei handelt es sich um eine Personenversicherung, deren Leistung bei Eintritt von schweren Krankheiten der versicherten Person vorzeitig ausbezahlt wird. Wie wichtig die genaue Definition des Versicherungsfalls ist, zeigt die Entscheidung des OGH 7 Ob 122/18v vom 29.08.2018.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 14.06.2019
Von Dr. Wolfgang Reisinger
Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer (VN) hat eine fondsgebundene Lebensversicherung mit vorzeitigem schwerem Krankheitsfall abgeschlossen. Als schwerer Krankheitsfall gilt unter anderem die vollständige Erwerbsunfähigkeit, die vorliegt, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls dauerhaft und vollständig außer Stande ist, irgendeine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die vollständige Erwerbsunfähigkeit muss mindestens sechs Monate ununterbrochen dauern. Dabei ist ausdrücklich auf die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt nicht Rücksicht zu nehmen. Der VN war während einer mittelgradigen depressiven Episode zwar in seinem Leistungsvermögen deutlich beeinträchtigt, jedoch grundsätzlich in der Lage, Tätigkeiten ohne Zeitdruck, die keines hohen Konzentrationsvermögens bedürfen, durchzuführen. Es bestand in dieser Zeit auch keine zeitliche Beschränkung für die Durchführung von Tätigkeiten. Der VN war weder in einer ersten noch in einer zweiten Erkrankungsphase über einen Zeitraum von jeweils mindestens sechs Monaten ununterbrochen dauerhaft und vollständig außer Stande, irgendeine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Deckungsablehnung des Versicherers war in allen Instanzen erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Die strittige Klausel ist, beurteilt nach dem Maßstabe eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers, unzweifelhaft und eindeutig dahin zu verstehen, dass es beim Anspruch aufgrund vollständiger Erwerbsunfähigkeit allein darauf ankommt, ob der Versicherte noch imstande ist, „irgendeine Erwerbstätigkeit“ auszuüben. Es soll also gerade nicht maßgeblich sein, ob der Versicherte noch zu einer Erwerbstätigkeit in der Lage ist, die seiner Ausbildung oder seinem bisherigen beruflichen Werdegang entspricht. Aus der Regelung, dass die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden können, folgt, dass sich der Versicherte nicht darauf berufen kann, dass eine ihm entsprechende Erwerbstätigkeit am Arbeitsplatz aktuell nicht angeboten werde, für ihn nicht erreichbar oder ihm nicht zumutbar sei. In diesem Sinn ist die besagte Klausel auch einem Laien verständlich und daher weder unklar noch intransparent.
Kommentar
An sich wird bei der Dread Disease Versicherung die Versicherungssumme nicht nur bei Tod der versicherten Person, sondern auch bei Eintritt von fest definierten schweren Krankheiten ausbezahlt. Im vorliegenden Fall gilt als schwere Krankheit auch die vollständige Erwerbsunfähigkeit. Da diese (relativ junge) Versicherungsart im VersVG naturgemäß nicht geregelt ist, bestehen keine dispositiv rechtlichen Vorgaben und es bleibt den Parteien überlassen, entsprechende Regelungen zu treffen. Dabei müssen natürlich die zwingenden Regeln des ABGB und des Konsumentenschutzes eingehalten werden. Der VN hat demgemäß auch eingewendet, dass die Bestimmungen der AVB gröblich benachteiligend im Sinne von § 879 Abs. 3 ABGB seien. Der OGH stellte aber richtig fest, dass die Nichtberücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit der klaren Abgrenzung der Anspruchsvoraussetzungen und der Vermeidung von andernfalls absehbaren arbeitsmarktbedingten Bewertungsfragen dient und daher keine gröbliche Benachteiligung vorliegt.
Der Beitrag erscheint auch in der AssCompact Juli-Ausgabe.
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