Versicherer berufen sich in manchen Fällen auf den Ablauf von Geltendmachungs- oder Nachhaftungsfristen. Doch auch zurecht? Eine genauere Prüfung ist zumindest anzuraten.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 12.11.2019
Von Ewald Maitz, MLS
Der OGH beschäftigte sich in einer aktuellen Entscheidung damit, ob sich der Versicherer auf den Ablauf der Geltendmachungsfrist für die Dauerinvalidität (DI) berufen kann, wenn die versicherte Person aufgrund ihrer Demenz die Frist nicht wahrt. Es gibt aber auch viele andere Gründe, die die Anwendbarkeit von Geltendmachungs- oder Nachhaftungsfristen in der Unfall-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung ausschließen.
Unfallversicherung (DI-Geltendmachung)
Das Versäumen der DI-Geltendmachungsfrist in der Unfallversicherung ist ein Problem, über das häufig diskutiert wird. Der OGH hat mehrfach bereits bestätigt, dass eine fixe DI-Geltendmachungsfrist grundsätzlich zulässig ist. Allerdings kann die Berufung auf diese Frist im Einzelfall unzulässig sein, weil sie dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ widerspricht. Ist für den Versicherer aus den Unterlagen klar ersichtlich, dass Dauerfolgen erwarten werden müssen, muss er den Versicherungsnehmer auf die Notwendigkeit der fristgerechten Geltendmachung hinweisen. Andernfalls kann sich der Versicherer auf das Versäumen der Frist nicht berufen. Erklärt ein Angestellter des Versicherers, der Versicherungsnehmer müsse noch einem Arzt vorgeführt werden und sagt, dass noch ein Sachverständigengutachten erstellt werden muss, kann der Versicherungsnehmer den Schluss ziehen, dass der Versicherer von sich aus tätig wird und der Versicherer kann sich auf ein mögliches Fristversäumnis nicht mehr berufen.
Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung (Nachhaftung)
Neben der Versicherungsfalldefinition sind in den Bedingungen zur Haftpflicht- und auch zur Rechtsschutzversicherung teilweise Nachmeldefristen (Nachhaftungsfristen) vorgesehen, die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Versicherungsschutz besteht, wenn der Versicherungsfall zwar während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintritt, aber erst nach Ende des Versicherungsvertrages gemeldet wird. Eine solche Nachhaftungsfrist ist insbesondere für Fälle der Rechtsschutzversicherung vorgesehen, für die das Verstoßprinzip anwendbar ist, sowie in der Haftpflichtversicherung für reine Vermögensschäden und für die erweiterte Produktehaftpflichtversicherung.
Der OGH hat bereits klar ausgesprochen, dass strikte Nachhaftungsfristen in der Rechtsschutzversicherung nicht zulässig sind. Hat der Versicherungsnehmer bis zum Ablauf der Nachhaftungsfrist keine Hinweise auf den Eintritt des Versicherungsfalles, dann ist der Versicherer deckungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer nach Kenntnis vom Versicherungsfall diesen unverzüglich (auch nach Ablauf der Nachhaftungsfrist) dem Versicherer meldet. Der OGH hat auch bereits angedeutet, dass diese Erkenntnis auch für die Haftpflichtversicherung anzuwenden sein wird. Gerade beim Verstoßprinzip (Verstoß = Versicherungsfall) erfährt der Versicherungsnehmer oft erst sehr spät, dass hier ein Versicherungsfall eingetreten ist. Bei der erweiterten Produktehaftpflichtversicherung ist die Lieferung des mangelhaften Produktes der Versicherungsfall. Das bedeutet, dass es auch hier sehr häufig vorkommt, dass der Versicherungsnehmer erst viel später erfährt, dass hier ein Versicherungsfall eingetreten ist.
Fazit
Beruft sich der Versicherer auf den Ablauf von Geltendmachungs- oder Nachhaftungsfristen, muss man immer prüfen, ob im konkreten Fall die Berufung auf die jeweilige Frist auch tatsächlich zulässig ist.
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