In der Diskussion um die richtige Altersvorsorge findet man meist nur Rendite-Argumente. Dabei sollten wir mehr auf die Liquidität in der Zeit ohne Erwerbseinkommen achten, meint Von Mag. Markus Waghubinger, AssCompact Investment & Finanzen, Gründer der finothek GmbH
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 08.11.2019
Von Markus Waghubinger*
Der Gedanke des Sparens, dem Zurücklegen für später, der vor gut 200 Jahren zur Gründung der Sparkassen geführt hat, ist heute aktueller denn je. Sparen ist der Verzicht auf heutigen Konsum zugunsten späteren Konsums. Ein Zins über der Inflationsrate sicherte dabei in der Vergangenheit die Möglichkeit, in der Zukunft mit dem eingesetzten Kapital sogar mehr zu konsumieren als man heute könnte. Aktuell ist ein risikoloses Veranlagungsergebnis über der Inflationsrate ob des Nullzinsniveaus utopisch geworden, aber auch in den Jahren mit hohem Zinsniveau war es nicht immer selbstverständlich, reale Renditen zu erzielen, denn die Teuerungsrate speziell bei Konsumprodukten und Immobilien war meist deutlich höher.
Gehaltserhöhung für Sparzahlungen
Rationell betrachtet ist also der Vorteil nicht mehr gegeben, durch Verzinsung über der Inflationsrate später mehr für sein Geld konsumieren zu können als heute und so wäre der naheliegende Schluss, besser heute als später zu konsumieren. Psychologisch betrachtet sieht das Ganze aber etwas anders aus. Menschen reagieren positiv auf eine Steigerung des Lebensstandards und negativ auf eine Verschlechterung davon. Das ist soweit logisch und lässt sich auch in die Sphäre der Erwartung übertragen: Menschen sind zufriedener, wenn es ihnen mittelmäßig geht, sie aber eine Verbesserung erwarten, als wenn es ihnen gut geht, sie jedoch mit einer Verschlechterung des Lebensstandards rechnen.
Am schmerzfreisten läuft also Vorsorge dann ab, wenn man Gehaltssteigerungen für Sparzahlungen verwendet. Wenn man mehr verdient, steigt der Standard, auch wenn man einen Teil der Steigerung für später aufhebt. Denn es ist besser, heute seinen Lebensstandard bei einer Gehaltserhöhung nur marginal zu steigern, als im Alter eine drastische Senkung akzeptieren zu müssen. Ein Schritt zurück tut immer weh, egal von welchem Niveau.
Laufende Liquidität
Beim Thema Vorsorge muss man die Logik des Konsumverzichts für späteren Konsum um einen Gedanken erweitern: Die laufende Liquidität. Die Annahme greift zu kurz, dass sich aktueller Konsumverzicht nur lohnt, wenn mit den Geldmitteln zu einem späteren Zeitpunkt mehr konsumiert werden kann. Denn auch wenn die Geldmittel nicht real an Wert zulegen, weil das Veranlagungsergebnis unter der Inflationsrate liegt, so ist die Einschränkung des verfügbaren Einkommens zugunsten einer Erhöhung der verfügbaren Liquidität in der Pension immer noch sinnvoll und notwendig.
Denn nicht die Rendite ist es, die den Wohlstand beim Anlegen sichert, sondern die Situation, auch im Alter ausreichend liquide Mittel zur Verfügung zu haben, um den Lebensstandard zu halten. Natürlich ist aus Ertragsgesichtspunkten bei einer als risikolos geltenden Veranlagung, wie beispielsweise der klassischen Lebensversicherung, nicht mehr viel zu holen. Das Nullzins-Umfeld verunmöglicht es, reale Rendite ohne überproportionales Risiko zu erzielen. Doch aus dem Gesichtspunkt der primären Liquiditätssicherung im Alter resultiert, dass die klassische Lebensversicherung nicht zwangsläufig „tot“ sein muss, denn es muss schlichtweg auch für risikoaverse Anleger die Möglichkeit geben, ihr heutiges laufendes Budget einzuschränken, um später darauf zurückgreifen zu können.
Klassische Lebensversicherung
Es steht außer Zweifel, dass es notwendig ist, die eigene Pensionslücke mit privater Vorsorge zu schließen. Obwohl das Zinsniveau keine inflationsabgeltende Anlage ohne Risiko erlaubt, ist die klassische Lebensversicherung immer noch ein probates Anlageinstrument für all jene, die keine Kursschwankungen während der Laufzeit tragen wollen. Das Risiko von Staatsanleihen aus dem Euroraum sollte aber nicht ignoriert werden und dabei auch die langfristige Inflationsabgeltung der Aktienmärkte insofern angesprochen werden, als dass eine breitere, fondsgebundene Veranlagung auch die Abhängigkeit von der Bedienbarkeit von Staatsschulden reduziert. Wer dann immer noch auf Schwankung verzichten will und die Risiken von schwankungsarmer Veranlagung versteht, kann getrost auf die klassische Lebensversicherung oder andere kaum verzinste Anlagen zurückgreifen, denn besser man riskiert Kaufkraftverluste in der Ansparphase als Liquiditätsengpässe in der Pension.
*gekürzte Version, der gesamte Artikel erscheint in der AssCompact November-Ausgabe.
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