Österreichs Sozialversicherung gewährleistet ein umfassendes Versorgungsnetz. Doch die Lage spitzt sich angesichts der demografischen Entwicklung immer weiter zu. Warum das System auf dem aktuellen Leistungsniveau nicht mehr lange finanzierbar ist? Die Hintergründe kennt Mag. Markus Waghubinger, AssCompact Investment und Finanzen.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 12.01.2017
Die österreichische Sozialversicherung – das sind 22 Institutionen, 26.700 Beschäftigte, ein Gesamtprämienvolumen von 56 Mrd. Euro im Jahr 2016 und damit etwa 17% des Bruttoinlandsprodukts. Die staatlichen Krankenversicherungen geben 17 Mrd. Euro im Jahr bei einem Prämienaufkommen von 14,1 Mrd. Euro aus, bei der Pensionsversicherung sind es 31 Mrd. Euro Prämien und Ausgaben von knapp 40 Mrd. Euro, die Unfallversicherung verzeichnet Ausgaben von 1,6 Mrd. Euro bei nahezu gleichem Prämienaufkommen (Stand 2015). Die Krankenversicherung finanziert sich aber auch zu einem erheblichen Teil aus Leistungsersätzen, nämlich 1,7 Mrd. Euro im Jahr 2015, während die Pensionsversicherung zu fast 20% durch Ausfallhaftungen des Bundes – also aus Steuermitteln – finanziert wird.
Lücken der Sozialversicherung
„Regierende Politiker versichern uns zwar immer wieder, dass das gesetzliche Sozialversicherungssystem, insbesondere die Pensionsversicherung, sicher und ausfinanziert ist, doch die demografischen Entwicklungen lassen daran begründeten Zweifel aufkommen“, sagt Waghubinger. So musste 2015 ein Pensionsversicherter 0,6 Pensionsbezieher mitfinanzieren, während es im Jahr 1970 noch 0,49 Pensionsbezieher waren. „Natürlich sind die längere Lebenserwartung und die niedrigere Säuglingssterblichkeit, die immerhin in den letzten 30 Jahren um 75% gesunken ist, zu einem sehr großen Teil auf ein umfassendes staatliches Versorgungssystem zurückzuführen.“ So erfreulich diese Entwicklung sei, stelle aber eben die steigende Anzahl älterer Menschen das gesamte System vor große Herausforderungen. „Bessere und daher oft teurere medizinische Versorgung wird von einem wachsenden Personenkreis beansprucht und von einem schrumpfenden Personenkreis finanziert. Sozialtransfer funktioniert aber einfach gesagt nur dann, wenn deutlich mehr einzahlen als versorgt werden.“
„Aktuelles Leistungsniveau nicht haltbar“
Für viele möge es „nahezu unmoralisch“ klingen, dieses System zu kritisieren – „doch Fakt ist, dass die demografischen Entwicklungen eindeutig gegen eine Finanzierbarkeit auf dem aktuellen Leistungsniveau sprechen“, so Waghubinger. „Sollten keine enorm geburtenstarken Jahre auf uns zukommen oder Heerscharen von hoch qualifizierten, jungen Fachkräften nach Österreich strömen, ist das aktuelle Leistungsniveau zu den bestehenden Beitragssätzen nicht haltbar.“
Reformen und Leistungskürzungen
In den nächsten Jahren sei also mit Reformen, aber auch mit Leistungskürzungen in der gesetzlichen Sozialversicherung zu rechnen. „Bundeskanzler Christian Kern hat zumindest schon organisatorische Reformen offen angesprochen.“ Die beiden Aussagen: „Die Pensionen sind sicher“ und „das Pensionssystem ist nicht mehr in dieser Form finanzierbar“ seien nicht zwangsläufig widersprüchlich – „jedoch je länger unsere Politiker Reformen der gesamten Sozialversicherung aufschieben, desto unsicherer werden die Pensionen und desto mehr zahlen künftige Generationen für die Renten von heute.“
In der AssCompact Jänner-Ausgabe gibt Mag. Markus Waghubinger nützliches Hintergrundwissen zur Sozialversicherung für das Beratungsgespräch über private Vorsorge weiter.
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