Das Umweltbundesamt hat im Auftrag der WKÖ-Bundessparte Bank und Versicherung in einer Potenzialanalyse errechnet, dass für die Klimaneutralität bis 2040 der zusätzliche Investitionsbedarf bis 2030 in den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr insgesamt rund 145 Mrd. Euro ausmacht.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 19.05.2022
Jährlich entspricht das bis 2030 einem Investitionsvolumen von 13,9 bis 18,5 Mrd. Euro, das durch den konsequenten Investitionspfad Richtung Klimaneutralität zusätzlich ausgelöst wird. Durch diese zusätzlichen Investitionen können jährliche Wertschöpfungseffekte von durchschnittlich 2,4% des BIP erwirtschaftet und jährlich rund 70.000 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert werden. Insbesondere der klimafreundliche Umbau der Infrastruktur hat einen hohen Finanzierungsbedarf.
„Die grüne Wende ist durch den Krieg noch dringender geworden. Erneuerbare Energien bringen Versorgungssicherheit und lösen uns von Abhängigkeiten. Gleichzeitig ist die Bekämpfung des Klimawandels eine riesige Chance für Österreich und Europa, die wir gemeinsam nutzen sollten. Der Kapitalbedarf dafür ist riesig – bis 2030 werden zusätzlich 145 Mrd. Euro an Investitionen benötigt. Ein Kapitalmarkt, der den Namen auch verdient, ist die logische Antwort. Nur so können wir gewährleisten, dass das notwendige Geld dorthin kommt, wo es gebraucht wird“, so Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Ohne Mobilisierung von privatem Kapital können diese Mehrinvestitionen nicht getätigt werden. „Mit dieser Potenzialanalyse wird eindrucksvoll vor Augen geführt: Wer K wie Klimatransformation sagt, muss auch K wie Kapitalmarkt sagen. Durch den Russland-Krieg in der Ukranie haben wir eine neue Dringlichkeit bekommen“, so Franz Rudorfer, Geschäftsführer der WKÖ-Bundessparte Bank und Versicherung.
Höchster Investitionsbedarf bei Infrastruktur
Ergänzend zum Investitionsbedarf wurden mittels eines makroökonomischen Modells die dadurch ausgelösten Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte ermittelt. „Der klimafreundliche Umbau der Infrastruktur ist eine Voraussetzung auf dem Weg in die Klimaneutralität. Mit Investitionen in den Auf- und Umbau von Energienetzen, Schienen und Straßen, aber auch Gebäuden und Industrieanlagen werden nicht nur Emissionen reduziert, sondern auch die Wertschöpfung gesteigert und Arbeitsplätze geschaffen“, erklärt Georg Rebernig, Umweltbundesamt-Geschäftsführer.
Der Verkehrssektor erfordert mit 67,3 Mrd. Euro die höchsten Mehrinvestitionen. Das liegt unter anderem am hohen Investitionsbedarf für den Schienenverkehr, aber auch für emissionsfreie Fahrzeuge in der österreichischen Fahrzeugflotte. Für die Versorgung anderer Sektoren mit ausreichend erneuerbarer Energie sind bis 2030 rund 44,4 Mrd. Euro zusätzlich zu investieren. Im Gebäudesektor sind vor allem für thermische Sanierung der Gebäude und Umstellung der Heizsysteme auf erneuerbare Energieträger etwa 26 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen notwendig. „Im Industriesektor wird es aufgrund der langfristigen Investitionszyklen erst nach 2030 zu einem umfassenden Strukturwandel kommen“, betonen die Expert:innen des Umweltbundesamts. Die Industrie braucht dazu vor allem frühzeitig Planungssicherheit.
Das Umweltbundesamt und die WKÖ-Bundessparte Bank und Versicherung sind sich einig, dass eine erfolgreiche Klimatransformation ohne leistungsfähigen Kapitalmarkt als Enabler nicht machbar ist.
WKÖ-Bundessparte Bank und Versicherung: Österreich braucht mehr denn je einen leistungsfähigen Kapitalmarkt
Dazu bedürfe es entsprechender Maßnahmen zur Stärkung des Kapitalmarkts, so die WKÖ-Bundessparte Bank und Versicherung. Laut aktueller Statistik der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) verfügen die Österreicherinnen und Österreicher über ein Geldvermögen von rund 800 Mrd. Euro. „Mit entsprechenden Anreizen, einer steuerlichen Maßnahme für Finanzprodukte wie etwa einer KESt-Befreiung bei Einhaltung einer Behaltefrist, könnten Milliarden für die Klimatransformation in Bewegung gesetzt werden. In gleicher Weise ist hier auch eine Befreiung von der Versicherungssteuer für Lebensversicherungen und entsprechend für Pensionskassenprodukte erforderlich“, hebt Bundessparten-Geschäftsführer Franz Rudorfer dazu hervor. Damit können die Menschen in Österreich in eine nachhaltige Zukunft investieren und gleichzeitig Wertverlusten durch die Inflation entgegenwirken.
Neben Versicherungen mit ihrem Veranlagungspotential von über 100 Mrd. Euro und Pensionskassen mit 27,3 Mrd. Euro verwalten Betriebliche Vorsorgekassen 16,5 Mrd. Euro, haben aber restriktive gesetzliche Veranlagungsvorgaben. Das zulässige Investitionsuniversum sollte für die Klimatransformation geöffnet werden, fordert die WKÖ-Bundessparte Bank und Versicherung.
Um die Klimatransformation im Gebäudesektor voranzutreiben, brauche es realistisches Datenmaterial zu Gebäuden (z.B. Energieausweise über thermische Gebäudequalität, Art der Heizung und Gebäudetechnik) und Pläne (z.B. in Form von Renovierungsfahrplänen). Wichtig sei eine hohe Qualität und eine österreichweit einheitliche Verfügbarkeit von digitalen Energieausweisen.
Um die Versicherbarkeit von Naturgefahren auch zukünftig gewährleisten zu können, brauche es gesetzliche Rahmenbedingungen für Public-Private-Partnership-Modelle, wie sie bereits in anderen europäischen Ländern erfolgreich umgesetzt werde. Die österreichische Versicherungswirtschaft stehe für eine gemeinsame Umsetzung als Partner bereit.
Foto oben: Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)
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