Auszug aus dem Interview mit Trendtag-Keynotespeaker Hon.-Prof. Dr. Johann Höllwerth, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 14.09.2021
Herr Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Sie sind seit April 2021 Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs. Wo genau liegt Ihre Zuständigkeit?
Seit April dieses Jahres darf den Vorsitz im 3. Senat des Obersten Gerichtshofs wahrnehmen. Dieser Senat ist der Fachsenat für Exekutionssachen sowie Klagen und Anträge nach der Exekutionsordnung, einschließlich Drittschuldnerklagen. Daneben sind dort auch allgemeine Zivilsachen zu entscheiden.
Das Versicherungsrecht ist aufgrund seiner ständigen Weiterentwicklung eine sehr lebendige Rechtsmaterie. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht für unabhängige Versicherungsvermittler, hier immer auf dem neuesten Stand zu sein?
Die Weiterentwicklung das Versicherungsrechts wird einerseits durch das Gemeinschaftsrecht und den nationalen Gesetzgeber und andererseits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der nationalen Gerichte vorangetrieben. An diese permanente Rechtsfortentwicklung knüpft dann die Versicherungspraxis mit der Neu- und Weiterentwicklung von Versicherungsprodukten und den dafür maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen an. Bei dieser Ausgangslage kann die Bedeutung der Fortbildung für unabhängige Versicherungsvermittler nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Wie lässt es sich für Vermittler am besten umsetzen, mit vertretbarem Aufwand rechtlich up to date zu bleiben?
Am besten wird Fort- und Weiterbildung mit vertretbarem Aufwand wohl dann zu bewerkstelligen sein, wenn man sich Neuerungen nicht selbst mühevoll und zeitaufwändig erarbeiten muss, sondern – namentlich im Rahmen von Fachvorträgen – bereits aufbereitet und kompakt präsentiert bekommt.
In welchen Versicherungssparten gibt es die meisten und auch spannendsten rechtlichen Streitigkeiten?
Da lassen sich meiner Erfahrung nach keine stabilen Trends festmachen. Vielmehr folgen die rechtlichen Auseinandersetzungen im Versicherungsbereich allgemeinen gesellschaftlichen Problemkonstellationen. Waren es jetzt längere Zeit die Lebensversicherungen, die im Blickpunkt von Rechtsprechung und Wissenschaft standen, so werden sich in absehbarer Zeit Fälle häufen, die mit der Covid-19-Pandemie im Zusammenhang stehen. An spannendem juristischen Neuland wird es nicht fehlen.
Ein kontroversiell diskutiertes Thema sind Entscheidungen zu Spätrücktritten in der Lebensversicherung. Wie beurteilen Sie dieses Thema sowohl aus Konsumentensicht als auch aus Sicht der Vermittler und der Produktanbieter?
Dieses Thema war geraume Zeit mit einigen juristischen Unsicherheiten behaftet, sodass die Erfolgsaussichten bei gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht immer einfach einzuschätzen waren. Inzwischen gibt es nach Klarstellungen des Europäischen Gerichtshofs für die typischen Problemfälle möglicher unrichtiger Rücktrittsbelehrungen bei bestehenden Verträgen bereits Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, sodass insoweit für alle Beteiligten bereits weitgehend Rechtssicherheit gegeben sein sollte. Bei Neuabschlüssen von Lebensversicherungen ist inzwischen eine geänderte Rechtslage maßgeblich.
Immer mehr Menschen sind Rechtsschutzversichert. Was denken Sie persönlich, was das künftig für Schadenhäufigkeit und Prämienhöhe bedeuten könnte?
Wie ein vermehrter Trend zur Rechtsschutzversicherung unter versicherungswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten ist, vermag ich persönlich nicht zu beurteilen. Allerdings bildet die Rechtsschutzversicherung für den Versicherungskunden jedenfalls ein ganz wesentliches Element zur Risikominimierung angesichts der ja oft beklagten sehr beachtlichen Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Wie in allen Versicherungssparten ist freilich auch und gerade im Bereich der Rechtsschutzversicherung die Auswahl bzw Zusammenstellung des für den einzelnen Kunden optimalen Produkts entscheidend.
Trendtage 2021
Hon.-Prof. Dr. Johann Höllwerth referiert auch bei den AssCompact Trendtagen 2021 in der Pyramide Wien/Vösendorf zum Thema „Rechtsprechung des OGH – Aktuelle Judikatur zum Versicherungs- und Maklerrecht“. Dabei wird der Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs den Besucherinnen und Besucher einen Überblick über die aktuelle versicherungsrechtliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geben. Ziel ist es, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmen ein gewisses Verständnis dafür bekommen, wie Aussagen in gerichtliche Entscheidungen zu bewerten sind.
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Foto oben: Hon.-Prof. Dr. Johann Höllwerth, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs
Titelbild: ©TRFilm – stock.adobe.com
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