Der Fall der nach einer Operation schwerstbehinderten Nadina setzt neue Standards für die Bemessung von Schmerzensgeld. Ärzte haben häufig Haftpflichtversicherungen mit zu geringer Deckung und können in solchen Fällen unlimitiert mit ihrem Privatvermögen haften, warnt ARGE MED-Obmann Mag. Marcel Mittendorfer.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 16.12.2016
Als Präzedenzfall für den Schadenersatz bei medizinischen Behandlungsfehlern sehen Experten das Urteil, das nach einem jahrelangen Rechtsverfahren nun am Landesgericht Innsbruck gefällt wurde. Seit einer routinemäßigen Operation 2008 ist die heute achtjährige Nadina schwerstbehindert. Das Gericht sprach ihr ein Schmerzensgeld von 250.000 Euro zu – die zweithöchste jemals in Österreich zuerkannte Schmerzensgeldsumme. Die monatlichen Pflege-, Behandlungs- und Folgekosten hat das Gericht mit 3.700 Euro festgelegt. Rechnet man das Pflegegeld auf lebenslange Dauer hoch, handelt es sich um einen Betrag von mehreren Millionen Euro.
Strafverfahren gegen Ärzte endete mit Freispruch
In diesem Fall bezahlt bei ausreichender Deckung die Haftpflichtversicherung des beklagten Krankenhauses. Ebenso hätte es aber auch ein Haftungsfall eines behandelnden Arztes werden können, weist die ARGE MED in einer Aussendung hin. So war bereits ein Strafverfahren gegen den Anästhesisten gelaufen, das aber mit einem Freispruch endete. Bei zu geringer Deckungssumme greift der Anspruch des Klägers dann persönlich und unlimitiert auf das Privatvermögen des Arztes zu.
Ärzten droht „massive Unterdeckung“ und persönliche Haftung
Mag. Marcel Mittendorfer, Obmann der ARGE MED, zieht „aus diesem vielbeachteten Fall die folgenden wichtigen Erkenntnisse für die persönliche und berufsrechtliche Haftungsvorsorge von Ärzten und Zahnärzten“:
- Der Fall setzt neue Standards für das Schmerzensgeld, das noch nie in einem vergleichbaren Fall in annähernder Höhe zugesprochen wurde. Ein klares Zeichen, dass auch in Österreich die Schmerzensgeld-Summen steigen werden.
- Viele derartige Fälle werden außergerichtlich geregelt, gelangen daher selten in die Medien und bleiben häufig unbeachtet. „Sich in trügerischer Sicherheit mit den gesetzlichen Mindestsummen, derzeit 2 Mio EUR für freiberuflich tätige Ärzte und Zahnärzte, zu begnügen, birgt aber das Risiko einer massiven Unterdeckung und existenzgefährdenden persönlichen Haftung des Arztes im Haftungsfall“, so Mittendorfer.
- Neben einer ausreichenden Haftpflichtversicherung ist die bestmögliche strafrechtliche Absicherung Pflicht für jeden Arzt zum Schutz seines Privatvermögens. Die Haftpflichtversicherung bietet einem Arzt nur gegenüber zivilrechtlichen Klagen für Anwalts- und Gerichtskosten sowie allenfalls für die zu zahlende Entschädigung eine finanzielle Absicherung. Bei strafrechtlicher Verfolgung sind die Kosten immer, auch bei vollem Freispruch, fast komplett selbst zu tragen.
- Zum Schutz vor Privathaftung müssen in der Haftpflichtversicherung möglichst hohe Versicherungssummen abgeschlossen werden – soweit möglich gegebenenfalls auch rückwirkend. Weil der finanzielle Aufwand in Österreich nach wie vor gering sei, rät die ARGE MED dazu, die derzeit höchsten Summen von bis zu 10 Mio. Euro zu wählen.
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