An sich zeichnen sich Allrisk-Versicherungen dadurch aus, dass alles versichert ist, was nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Dass derartige Deckungen aber trotzdem nur schwer durchschaubar sind, zeigt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH).
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 17.12.2018
von Dr. Wolfgang Reisinger
Die Versicherungsnehmerin (VN) ist Eigentümerin einer Kunstsammlung. Die Beklagte ist ein internationaler Spezialversicherer und bietet Kunstversicherungen für Privatpersonen und Institutionen an. Anfang April 2007 übergab die VN die Originalzeichnung von Picasso „Stierkampf“ einem befugten Gewerbsmann zum Rahmen an dessen Geschäftsadresse mit dem Auftrag, die Zeichnung neu zu rahmen. Wie sich später herausstellte, ersetzte dieser das Original durch eine Kopie. Der Gewerbsmann wurde wegen des Vergehens der Veruntreuung strafgerichtlich verurteilt.
Der Versicherer lehnte die Deckung ab, weil Schäden durch Veruntreuung durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen ausgeschlossen seien. Die VN behauptete, im Hinblick auf die Abänderung der Allgemeinen Bedingungen durch das Wording „Art of Business“ sei kein Haftungsausschluss für den Strafbestand der Veruntreuung vereinbart worden. Im Gegensatz zu den beiden Unterinstanzen wies der OGH (OGH 157/18s) das Klagebegehren der VN ab.
Entscheidungsgründe
In den Allgemeinen Bedingungen ist ein genereller Risikoausschluss für Veruntreuung vorgesehen, im laut Versicherungsschein „abändernden“ Wording „Art of Business“ hingegen nicht. Das Wording „Art of Business“ bezieht sich nicht auf die gleichen Risikoausschlüsse wie in den Allgemeinen Bedingungen. Es umfasst vielmehr eine Reihe von zusätzlichen Risikoausschlüssen. Es ist aus der Bedingungslage selbst kein sachlicher Grund erkennbar, warum die generellen Risikoausschlüsse in den Allgemeinen Bedingungen durch die Risikoausschlüsse im Wording „Art of Business“ ersetzt werden und nicht nebeneinander bestehen sollten.
Das Wording „Art of Business“ selbst verweist zum Umfang der Versicherung ausdrücklich darauf, dass „Näheres“ nicht nur die nachfolgenden Ausschlüsse regeln, sondern auch die „weiteren vertraglichen Vereinbarungen“ gelten. Das kann ein verständiger Versicherungsnehmer im Gesamtzusammenhang nur so auffassen, dass die in den Allgemeinen Bedingungen genannten Risikoausschlüsse durch jene im Wording „Art of Business“ bloß ergänzt werden. Gerade der Verweis auf die Weitergeltung der anderen „vertraglichen Vereinbarungen“ spricht klar dafür, dass die generellen Risikoausschlüsse nicht durch jene im Wording „Art of Business“ ersetzt werden sollen.
Kommentar
Beim streitgegenständlichen Produkt handelt es sich um eine Allgefahrenversicherung, die aber über eine beeindruckende Menge an Ausschlüssen verfügt. Der ohnehin schon umfangreiche Ausschlusskatalog in den Allgemeinen Bedingungen wird in den Besonderen Bedingungen „Art of Business“ noch erheblich erweitert. An sich haben Besondere Bedingungen grundsätzlich Vorrang vor Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Laufen die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltenen Ausschlüsse den in den Besonderen Bedingungen enthaltenen Bestimmungen zuwider, kommt den Allgemeinen Bedingungen keine rechtliche Bedeutung mehr zu (siehe zB 7 Ob 192/99g), was aber hier nicht angenommen wurde.
Unter Hinweis auf die Vertragsauslegungsgrundsätze der §§ 914f ABGB hätte der OGH – analog zu den Unterinstanzen – ohne weiteres gegen den Versicherer entscheiden können, umso mehr als ein VN bei einer „Allgefahrendeckung“ durchaus besondere Erwartungen an den Deckungsumfang knüpft. Dass bei einer Kunstversicherung Veruntreuung mitversichert sein soll, wird sich vermutlich ein Kunstsammler schon erwarten.
Der Artikel erscheint auch in der AssCompact Jännger-Ausgabe.
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