Gesetz und Recht als „Produkt-Influencer“ und das große Thema Vorsorge – darum drehte sich das 14. ExpertInnentreffen der Versicherungsmakler in Alpbach.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 02.09.2019
Rund 250 Versicherungsmakler wurden von Fachverbandsobmann Christoph Bergammer begrüßt und in das Thema „Gesetz und Recht als Produkt-Influencer“ eingeführt. Das „international diskutierte Kuh-Urteil“ sei hauptverantwortlich dafür, „dass wir dieses Thema in all seinen Facetten durchleuchten möchten“. Was den zweiten Schwerpunkt – Vorsorge – betrifft, so werde im Allgemeinen und speziell in der Versicherungswirtschaft viel zu wenig darüber gesprochen.
Vorsorgen macht unabhängiger
In ihrer Festrede erzählte Nationalratsabgeordnete Kira Grünberg von ihrer Karriere als Stabhochspringerin und Leichtathletin, die durch einen Trainingsunfall abrupt beendet wurde. Das Thema Vorsorge betreffe „jeden von uns, ob es nun um die Pension oder nur die Vorsorge bei Schicksalsschlägen wie meinem oder ähnlichem geht“, erklärte die seit 2015 querschnittgelähmte Politikerin. „Wer vorsorgt, kann unabhängiger und unbeschwerter in die Zukunft blicken und übernimmt auch ein Stück weit Eigenverantwortung für die eigene Zukunft“, so Grünberg, die für ihre persönlichen Einblicke minutenlange Standing Ovations erhielt.
4 von 10 ohne private Vorsorge
Dass es bei der Vorsorge noch Nachholbedarf seitens der Österreicher gibt, zeigten die von Telemark-Marketing-Geschäftsführer Robert Sobotka präsentierten Ergebnisse einer Umfrage. Demnach halten 89,2% der befragten 18–60-Jährigen private Vorsorge zwar für (sehr) wichtig, zugleich haben jedoch 42% keine Lebensversicherung oder Pensionsvorsorge abgeschlossen. Als wichtigste Produkte gelten hier die klassische Lebensversicherung (50,2%), die staatlich geförderte Pensionsvorsorge (45,7%) und die fondsgebundene Lebensversicherung (31,4%).
Zweite und dritte Säule fördern
Die staatliche Vorsorge könne den Wohlstand im Alter auf Dauer nicht sicherstellen, betonte Versicherungsmakler Frederik Fokkink in seinem Vortrag. Mehr als 80% des Pensionseinkommens in Österreich kommen aus der staatlichen Vorsorge. Eine Stimulierung der zweiten Säule würde das Staatsbudget entlasten. Zudem sei eine betriebliche Pensionszusage ein Bindungsinstrument, um Fachkräfte zu rekrutieren und zu behalten. Daher brauche es laut Fokkink eine Gesetzgebung, die die zweite und dritte Säule entsprechend stark fördert.
Immer weniger Arbeitsjahre
Wie mit dem gesellschaftlichen Wandel die herkömmlichen Lebensphasen schwinden, erläuterte Michael Miskarik, Leiter der Niederlassung Österreich von der HDI Leben. In den 1970er Jahren standen durchschnittlich 43 Arbeitsjahren 34 Jahre an Kindheit, Jugend und Pension gegenüber. 2010 waren es nur noch 35 Arbeitsjahre, aber bereits 48 Restjahre. Im Durchschnitt fallen im Leben je Österreicher 9,4 Jahre an, die mit abnehmender Gesundheit verbunden sind. Auch hier sei mit einem Anstieg der Pflegegeldbezieher von 460.000 Personen im Jahr 2018 auf rund 628.000 Personen im Jahr 2028 zu rechnen. Wesentlich sei es, die Pflege und Betreuung zu Hause abzusichern. „Die Vermeidung oder Beseitigung von Invalidität und Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess muss das vorrangige Ziel sein“, unterstreicht Miskarik.
Rechtsprechung und Praxis
Über Alters- und Pensionsvorsorge aus Sicht des Konsumentenschutzes sprach Arno Ebner, Sektionschef Konsumentenpolitik im Sozialministerium. Im Hinblick auf die Zeitqualität sei persönliche Beratung zu bevorzugen, Online-Beratungen sehe man eher skeptisch.
Zum Thema „Gesetz und Recht als Produkt-Influencer“ referierten Michael Gruber vom Institut für Privatversicherungsrecht der Uni Salzburg und Johann Höllwerth, Hofrat des OGH im 7. Senat. Anhand von Beispielen aus verschiedenen Sparten erläuterten die Vortragenden, dass die Rechtsprechung der letzten Jahre einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Versicherungsgeschäft bzw. das Privatversicherungs- und Maklerrecht haben wird.
Produkte radikal aus Kundensicht ändern
UNIQA-Vorstand Andreas Klößl erklärte, dass die Umsetzung von Regulatorien aus Sicht der Versicherer mittlerweile zum Tagesgeschäft geworden sei. Diese bringen den Konsumenten zwar mehr Rechte, deren eigentlichen Bedürfnisse werden dabei jedoch meist außer Acht gelassen. Darum würden sich in der Zwischenzeit Konzerne wie Google, Amazon oder Facebook kümmern, die auch mit Hilfe von Kooperationen und Partnerschaften zur Konkurrenz geworden seien. Damit man Kunden einen Mehrwert bieten könne, müssen Prozesse und Produkte radikal aus Kundensicht gesehen und verändert werden. Partnerschaften in alle Richtungen sollten angedacht werden.
Über die Auswirkungen von Gesetz und Recht aus Sicht eines Rückversicherers sprach Johannes Hartmann, Vorstand des Rückversicherers VIG Re. Seitens der EU seien einige weitere Versicherungsregulierungen in Vorbereitung, darunter ein europäisches Pensionsprodukt. Im KFZ-Bereich werde es ebenfalls aufgrund automatisierten Fahrens zu entsprechenden Regulierungen kommen müssen.
Foto: Kira Grünberg, Rudi Mittendorfer (Fachverbandsobmann Stv.), Andreas Kößl (UNIQA-Vorstand), Christoph Berghammer, Erwin Gisch (GF Fachverband der Versicherungsmakler)
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