Eine Versicherungsnehmerin (Klägerin) hatte bei einem Bauvorhaben die Tätigkeit als Bauträgerin aufgrund eines abgeschlossenen Werkvertrages übernommen. Wegen einer falschen Kostenschätzung bezüglich der Einreichplanung sollte die Versicherungsnehmerin der Bauträgerin Schadenersatz bezahlen. Die Klägerin forderte daraufhin Deckung von ihrer Haftpflichtversicherung. Die Haftpflichtversicherung lehnte die Deckung jedoch ab.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 01.03.2022
Eine Bauträgerin (im Folgenden Klägerin) verfügt über einen Haftpflichtversicherungsvertrag, welchem die allgemeinen und ergänzenden allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung des Versicherungsverbandes Österreich in der Version 2012 und die Rahmenvereinbarung der Wirtschaftskammer Österreich vom September 2013 zugrunde liegen.
Im Punkt 7 des Rahmenvertrages ist das versicherte Risiko definiert. Demnach muss der Versicherungsnehmer zunächst eine aufrechte Gewerbeberechtigung als Immobilientreuhänder gemäß den Bestimmungen des § 94 Z 35 in Verbindung mit § 117 GewO haben. Das versicherte Risiko umfasst dabei „alle Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten des Versicherten, zu denen er aufgrund der für seinen Beruf und Betrieb geltenden Rechtsnormen und Berufsbilder berechtigt ist“.
Im Punkt 9 „besondere Vereinbarungen“ findet sich in Punkt 9.2.3.1 die exemplarische Tätigkeitsbeschreibung des Bauträgers. Diese lautet wie folgt:
Der Versicherungsschutz erstreckt sich insbesondere auf folgende Tätigkeiten des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner jeweiligen Gewerbeberechtigung:
1. Der Tätigkeitsbereich des Bauträgers umfasst die organisatorische und kommerzielle Abwicklung von Bauvorhaben (Neubauten, durchgreifende Sanierung) auf eigene oder fremde Rechnung sowie die hinsichtlich des Bauaufwands einem Neubau gleichkommende Sanierung von Gebäudeteilen. Der Bauträger ist auch berechtigt, diese Gebäude zu verwerten.
Klargestellt wird, dass die planende Tätigkeit des Versicherungsnehmers, sämtliche Tätigkeiten des Versicherungsnehmers des Bauhaupt-, Bauhilfs- und Baunebengewerbes sowie Tätigkeiten als Generalunternehmer nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind.
Bei dem Bauvorhaben war eine Klägerin nicht selbst als Bauträgerin tätig, sondern hat diese vielmehr für eine Bauträgerin aufgrund eines abgeschlossenen Werkvertrages Leistungen erbracht, wozu unter anderem die Einreichplanung gehörte. Nachdem die Klägerin eine unrichtige Kostenschätzung im Rahmen der von ihr im Werkvertrag übernommenen Einreichplanung vornahm, wurde sie von der Bauträgerin auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Im zwischen der Klägerin und ihrer Haftpflichtversicherung abgeführten Deckungsprozess vertrat die Klägerin den Standpunkt, dass diese Tätigkeit vom Versicherungsschutz umfasst ist. Dies bestritt die Haftpflichtversicherung.
Wie ist die Rechtslage?
Der OGH hat sich in der Entscheidung 7 Ob 193/21i mit der Frage auseinandergesetzt, ob die von der Klägerin vertraglich übernommene Tätigkeit von der primären Risikoumschreibung umfasst ist. Dazu hat der OGH ausgeführt, dass Punkt 9.2.3.1 des Rahmenvertrages eine klarstellende Umschreibung des versicherten Risikos vornimmt und es sich dabei um eine primäre Risikobegrenzung handelt. Diese Bestimmung würde § 117 Abs. 4 GewO 1994 entsprechen. Klargestellt wird, dass der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherers durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig ist, das heißt unter Zugrundelegung des vom Geschädigten behaupteten Sachverhalts (7 Ob 142/18k; RS0081015).
Ausgehend davon, dass die den Schaden auslösende Tätigkeit der Klägerin (unrichtige Kostenschätzung bei der Einreichplanung) in der primären Risikoumschreibung keine Deckung findet, hat der OGH die Deckungsablehnung der Versicherung als korrekt bestätigt. Dies deshalb, da es sich nach Ansicht des OGH um keine organisatorische oder kommerzielle Abwicklungstätigkeit bei einem Bauvorhaben handelt, sondern sich die Klägerin vielmehr gegenüber einer (anderen) Bauträgerin zur Erbringung von fachspezifischen Einzelleistungen verpflichtet hat, die außerhalb der Versicherungsleistung liegen.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer nach § 149 VersVG verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Dies allerdings nur dann, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die von der primären Risikobegrenzung umfasst und nicht durch eine sekundäre Risikobegrenzung (Risikoausschluss) vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Wesentlich ist daher bei der Vermittlung von Haftpflichtversicherungen darauf zu achten, dass die primäre Risikobeschreibung auch der tatsächlichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers. Ansonsten drohen bei Vermittlungen durch Versicherungsmakler allenfalls sogar unangenehme Haftungsfolgen.“
Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Titelbild: ©MQ-Illustrations – stock.adobe.com
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