Die Rechtsschutzversicherung steht vor Herausforderungen: steigende Schäden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, höhere Streitwerte durch Inflation und gestiegene Honorare für Rechtsanwälte und Sachverständige. Gemeinsam mit dem Konkurrenzkampf geschuldeten konstant niedrigen Prämien ist dieser Cocktail ein guter Grund für die Anbieter über Maßnahmen nachzudenken wie man die Auswirkungen dieser Belastungen stemmen könnte, ohne die Kunden zu benachteiligen.
Artikel von:
Dr. Helmut Tenschert
Versicherungsmakler und unabhängiger und zertifizierter Bildungsträger für Versicherungsmakler und -agenten
Über ihre Pläne habe ich die drei Spezialversicherer am Markt, in alphabethischer Reihenfolge ARAG, DAS (ERGO) und ROLAND, befragt um deren Strategien kennenzulernen damit kundenorientiert umzugehen. Diese Umfrage kann zwar keinen Gesamtüberblick über den Markt geben, allerdings führen diese Gesellschaften lediglich die eine Sparte im Programm und sind daher besonders gefordert dem anspruchsvollen Umfeld mit erfolgversprechenden Vorgangsweisen zu begegnen. Die eingelangten Rückmeldungen geben einen guten Überblick über deren Strategien für die nähere Zukunft.
ARAG setzt auf Servicierung der Vertriebspartner
Die ARAG setzt stark auf die Servicierung ihrer Vertriebspartner. Mit dem neuen Partnertool, dem Tarifrechner, und dem Branchenassistenten hat sie nach eigenen Angaben eine Marktinnovation geschaffen. Dabei werden Branchen und wirtschaftliche Tätigkeiten direkt aus dem Firmenbuch oder dem GISA automatisiert übernommen. Dies minimiert Tarifierungsfehler und reduziert das Haftungsrisiko für Vermittler. Zusätzlich bietet die präventive Konfliktberatung durch Mediatoren Kunden die Möglichkeit, Konflikte selbst zu lösen. Die hauseigenen Juristen der ARAG sind seit Jahren in der Schadenbearbeitung aktiv und streben außergerichtliche Konfliktlösungen an, um langwierige und kostenintensive Gerichtsprozesse zu vermeiden. Die Automatisierung soll zudem die Bearbeitung von Anträgen und Schadenmeldungen beschleunigen. Man geht davon aus, dass teilweise Dunkelverarbeitung und direkte Schnittstellen diesen Prozess ermöglichen werden.
Ergo D.A.S plant keine neuen Deckungsausschlüsse in ihren Bedingungen
Auch bei DAS (ERGO) verzeichnet man eine Zunahme der Geschäftsentwicklung sowie einen Anstieg der gemeldeten Schäden. Das Rechtsschutzgeschäft verläuft antizyklisch: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Menschen eher bereit, Rechtsschutzversicherungen abzuschließen. Besonders hervorgehoben wird, dass keine neuen Deckungsausschlüsse in die Bedingungen aufgenommen werden sollen – eine bemerkenswerte Ankündigung angesichts der zusätzlichen Herausforderungen im Bereich Cyber und Nachhaltigkeit. Die Beratung und Direkthilfe werden verstärkt, und das Ziel ist es, den Rechtsschutzversicherer zuerst zu kontaktieren, um die Qualitäten aller Serviceelemente von DAS nutzen zu können. Die Unabhängigkeit der Rechtsschutzsparte innerhalb des ERGO-Konzerns bleibt gewahrt, was sich auch in der Produktmarke „DAS Rechtsschutz” widerspiegelt. Die Integration in ERGO ist abgeschlossen, und noch erforderliche technische Umstellungen im IT-System werden im Hintergrund durchgeführt.
ROLAND RS: stabile Tarife trotz Marktherausforderungen
ROLAND Rechtsschutz hat 2022 seine Produktlinie erweitert, indem einige Deckungskonzepte optimiert und zwei neue Produkte eingeführt wurden: „Manager-Basis-Rechtsschutz“ und „D&O-Deckungsklage-Rechtsschutz“. Eine weitere Produktanpassung ist für das zweite Halbjahr 2024 geplant, Details sind jedoch noch nicht bekannt. Das Unternehmen strebt an, maßgeschneiderte Lösungen wie Auslands- und Exzedentendeckungen sowie Versicherungen für schwierige und sanierungsbedürftige Risiken anzubieten, um die Möglichkeiten der Vermittler in diesen anspruchsvollen Segmenten zu erweitern. Die Nachfrage nach solchen Produkten steigt. Während der Markt sich hauptsächlich auf Retail konzentriert, fokussiert sich ROLAND auf den Commercial-Bereich, ohne jedoch Retail zu vernachlässigen. Trotz erheblicher Kostensteigerungen seit 2017 wurden die Tarife nicht erhöht; über das Maklerportal sind sogar erhebliche Nachlässe möglich.
Deutsche Muttergesellschaften: Digitaler Zugang zur Rechtsberatung über Online-Plattformen
Da es sich bei allen drei österreichischen Spezialrechtsschutzversicherungen um Versicherer handelt, deren Muttergesellschaften aus dem deutschen Markt kommen, habe ich mich auch dort zu Plänen und Strategien schlau gemacht mit denen man zukünftig erfolgreich agieren möchte. Sicher werden diese Projekte nicht ohne Einfluss auf die Geschäftsplanungen der österreichischen Töchter bleiben.
Auch der deutsche Rechtsschutzmarkt sieht wenig überraschend in seiner Einschätzung von Trends und Entwicklungen digitale Prozesse im Vordergrund. Eine große Rolle spielt dabei der digitale Zugang zur Rechtsberatungen durch beispielsweise die Einführung von Online-Plattformen und die Digitalisierung von Schadenmeldungen. In den Leistungspaletten möchte man die Produkte den neusten rechtlichen Entwicklungen folgend umfassender gestalten, etwa in den Bereichen Datenschutzrecht oder für den Online-Handel.
Bei ihren Investitionen wird sich das zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung spürbar zeigen und zudem in der Produktgestaltung vermehrt Umweltaspekte ihren Niederschlag finden.
Kontinuierliche Anpassungen der Leistungsinhalte von Rechtsschutzversicherungsangeboten werden erforderlich werden um mit entsprechenden Veränderungen der Rechtsordnung Schritt zu halten. Und das in transparenter Art und Weise, um den hohen Anforderungen der Verbraucherschutzinstitutionen zu genügen.
Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Juli-Ausgabe!
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