Digitalkonzerne wie Google, Amazon, Facebook und Apple (kurz: GAFA) werden sich 2018 im Versicherungsmarkt weiter in Stellung bringen. Die Rolle des Risikoträgers oder Versicherungsvermittlers wird wohl keiner von ihnen anstreben. Vielmehr werden sie die etablierten Geschäftsmodelle sezieren und neu zusammensetzen. Ein Beitrag* von Lars Rautenburger von Sopra Steria Consulting.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 19.01.2018
Viele Entscheider der Branche sehen die GAFA-Konzerne aus den USA als deutlich ernstere Bedrohung als die kleinen Technologie-Start-ups mit ihren innovativen IT-Lösungen. Nur 46% betrachten InsurTechs als Top-Herausforderung für das eigene Geschäftsmodell. 54% sehen neue digitale Vollversicherer mit BaFin-Lizenz als Bedrohung. Das ergibt die Studie „Branchenkompass Insurance 2017“ von Sopra Steria Consulting. InsurTechs und jungen Versicherern fehlt die Kundenbasis. Düster wird die Mine dagegen beim Blick auf das disruptive Potenzial renommierter Internetkonzerne. Sie verfügen bereits von selbst über einen riesigen Pool an Kundendaten, und sie wissen, die Informationen zu nutzen.
Amazon, der Allesverkäufer
Die größten Aussichten, sich in diesem Jahr im Versicherungsmarkt zu integrieren, hat Amazon. Das Unternehmen hat Ende 2017 in Großbritannien sein Interesse für den Versicherungsmarkt durchblicken lassen. Ein Blick auf die Stellenausschreibungen deutet darauf hin, dass sich der Tech-Riese in das Geschäft mit Produktversicherungen einklinkt. Das Engagement wird sich nicht nur auf den Markt in Großbritannien beschränken. Die gesuchten Versicherungsexperten sollen auch Deutschkenntnisse mitbringen. Erste Produkte, beispielsweise bei Garantieverlängerungen und Smartphone-Versicherungen, sind über Amazon Protect erhältlich. Der Risikoträger dahinter ist allerdings ein Versicherer der alten Schule.
Google, der KI-Spezialist
Suchmaschinenspezialist Google steuert eine andere Einstiegsnische in den Versicherungsmarkt an. Nach Gehversuchen als Vergleichsportal mit Google Compare setzt das Unternehmen nun auf künstliche Intelligenz (KI). In Deutschland hat der Konzern die Schadendaten eines Unfallversicherers analysieren dürfen. Intelligente Systeme beurteilten, wie sie den Schaden reguliert hätten. Schon im ersten Anlauf hat die KI dabei in 85% aller Fälle die gleiche Entscheidung getroffen wie der Mensch.
Das maschinelle Lernen sorgt vermutlich schon sehr bald dafür, dass allenfalls noch komplexere Schadensszenarien von menschlichen Sachbearbeitern bearbeitet werden müssen. Durch eine perfekt an die Systemlandschaft des Versicherungsunternehmens angepasste Kombination aus KI und Robotic Process Automation (RPA) kann damit ein Teil der Innendienstkräfte der Versicherer preiswerter, redundanter, skalierbarer und vermutlich auch zuverlässiger ersetzt werden. Gleichzeitig sammelt der Internetriese neue Daten und erfährt auf diese Weise wie viele Schäden in welcher Höhe bei welchen Deckungen auftreten. Das verschafft Google damit das notwendige Wissen, um Risiken insgesamt bewerten und tarifieren zu können – die Basis, um neuartige Sicherungskonzepte zu entwickeln.
Facebook, der Profiler – Apple, der App-Store
Eine geringere Gefahr für die Geschäftsmodelle der Versicherer geht von Facebook und Apple aus. Ihre Ambitionen im Versicherungsgeschäft sind weniger konkret, von den bereits angebotenen Geräteversicherungen abgesehen. Beide Unternehmen werden dennoch in diesem Jahr und darüber hinaus enorm wichtig sein für die Versicherungsbranche. Facebook gilt als Top-Datenadresse, wenn es um Kundenanalysen und Prognosen sowie personalisiertes Marketing geht. Apple wiederum ist zusammen mit Google wichtigster Ort für mobile Versicherungsanwendungen. Zudem bietet das Unternehmen mit Siri eine ausgereifte Version für sprachgesteuerte Anwendungen. Versicherungen können sich in diesem Jahr darauf einstellen, dass Siri, Alexa und Watson deutlich häufiger genutzt und sich damit die Kundenerwartungen in puncto Service weiter verschieben werden.
Keine Konkurrenz im klassischen Sinn
Die Versicherungsbranche ist damit nicht ohne Grund nervös. Google, Facebook, Amazon und Apple kennen ihre Kunden mit ihren Gewohnheiten oft besser als sie selber und können sehr schnell und treffsicher vorhersagen, gegen welche Risiken sich jemand absichern möchte. Den Rollenspielen der großen Internetkonzerne ist allerdings gemein, dass sie nicht den Fehler machen, traditionelle Geschäftsmodelle einfach nachzubilden. Es widerstrebt ihrer Philosophie, „old-school-Versicherungen“ zu verkaufen. Eher werden sie einen neuen Ansatz erfinden, um Menschen Sicherheit zu geben. Die klassischen Vermittler und Risikoträger wird es damit auch 2018 und darüber hinaus geben. Ihre Aufgaben werden sich allerdings durch die Impulse der Digitalkonzerne verändern.
*gekürzte Fassung / Quelle: AssCompact Deutschland
Der Autor
Lars Rautenburger, Leiter für den Geschäftsbereich Insurance bei Sopra Steria Consulting. Seine thematischen Schwerpunkte sind die Digitalisierung und die Finance Transformation der Versicherungsbranche.
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