Durchaus häufig können sich der Rechtsschutzkunde und sein Rechtsanwalt nicht einigen, welche anwaltlichen Kosten dem Grund und der Höhe nach angemessen und somit vom Rechtsschutzversicherer zu übernehmen sind. Dazu hat der OGH wieder einmal in 7 Ob 217/22w vom 25.01.2023 Stellung genommen.
Artikel von:
Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Die Versicherungsnehmerin (VN) klagte ihren ehemaligen Lebensgefährten auf Zahlung von rund 600.000 Euro sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden, weil er sie vom Balkon gestoßen und dadurch schwer verletzt habe. Diese Klage wurde vom LG für ZRS Wien mit Urteil vom 24.08.2021 rechtskräftig abgewiesen. Der Klagevertreter der VN stellte seine Honorarforderung am 01.12.2021 gegenüber der VN fällig, stundete jedoch den Betrag bis zum rechtskräftigen Abschluss des Deckungsprozesses. Die VN ersetzte bislang weder dem Gegner des Haftpflichtprozesses dessen Kosten noch beglich sie die Honorarforderung ihres Anwaltes. Die VN begehrt vom Versicherer die Zahlung der Kosten des Haftpflichtprozesses und eventuell die Feststellung der Versicherungsdeckung. Der Versicherer wendete ein, dass beide Ansprüche unberechtigt seien. Die Deckungsklage der VN blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass der Leistungsanspruch der Klägerin gegenüber dem beklagten Versicherer fällig ist. Der dadurch gegebene Freistellungsanspruch geht auf Befreiung von den bei der Wahrnehmung des versicherten rechtlichen Interesses entstehenden Kosten. Dieser Freistellungsanspruch ist aber einem Zahlungsanspruch nicht gleichgestellt. Vielmehr kann er sich erst dann in einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer verwandeln, wenn der VN seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat. Der VN hat nach Fälligkeit seines Leistungsanspruches aber auch kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Versicherungsdeckung mehr, weil die Möglichkeit der Leistungsklage nach ständiger Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage verdrängt.
Kommentar
Trotz der Kostenhöhe von rund 34.000 Euro zeichnet sich dieser Prozess durch eine gewisse Sinnlosigkeit aus, weil der OGH erst vor kurzem zu dieser Thematik Stellung genommen hat (7 Ob 50/22m und 7 Ob 122/22z). Die Vorgangsweise ist relativ einfach. Zwischen dem Rechtsschutzversicherer und dem Rechtsanwalt seines VN besteht keine Rechtsbeziehung. Für die Bezahlung des Honorars des Rechtsanwalts ist im Rahmen des Mandatsvertrags daher allein der VN verpflichtet. Wenn der Versicherer mit der Höhe der Rechtsanwaltskosten nicht einverstanden ist, muss er dem Rechtsschutz-VN (ähnlich wie in der Haftpflichtversicherung) Abwehrdeckung geben. Damit ist sichergestellt, dass der VN auf keinen Fall eigene Kosten aufwenden muss, weil die Kosten entweder vom Versicherer erfolgreich abgewehrt werden oder – falls die Abwehr nicht gelingt – bezahlt werden. Der VN ist damit mit keinem Risiko belastet und hat daher auch keine Veranlassung, seinen Versicherer auf Deckung zu klagen, sofern dieser nicht aus anderen Gründen die Deckung ablehnt. Er darf aber die (strittigen) Rechtsanwaltskosten keinesfalls selbst bezahlen, weil er ansonsten eine Obliegenheitsverletzung begeht und der Versicherer leistungsfrei werden könnte.
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