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Kleinanlegerstrategie: EU-Kommission schlägt nun doch ein Provisionsverbot vor

Kleinanlegerstrategie: EU-Kommission schlägt nun doch ein Provisionsverbot vor

25. Mai 2023

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6 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Entgegen der Ankündigung von EU-Finanzkommissärin Mairead McGuinnes Anfang Mai enthält die gestern veröffentlichte Retail Investment Strategy nun doch ein Provisionsverbot für den unabhängigen Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten. Fachverbandsobmann KR Christoph Berghammer sieht dennoch gute Chancen, das Verbot erneut zu verhindern.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 25.05.2023

„Die vor wenigen Wochen von EU-Finanzkommissärin McGuinness geäußerte Ankündigung, es würde im Gefolge der RIS zwar zu strengeren Regeln, jedoch zu keinem Provisionsverbot kommen, war offenbar ein bloßes Lippenbekenntnis“, kritisiert der Fachverbandsobmann der Versicherungsmakler, KR Christoph Berghammer McGuinnes´ Wortbruch.

Die Geschichte scheine sich leider zu wiederholen: Anfang Juli 2012 hatte die Europäische Kommission den Entwurf einer damaligen „IMD II“ veröffentlicht, der u.a. ein Provisionsverbot für die unabhängige Beratung und Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten vorgesehen hatte. Nun, beinahe elf Jahre später, liegt erneut ein Kommissions-Entwurf vor, wonach Provisionen verboten werden sollen: In dem im Rahmen des Maßnahmenbündels zur Retail Investment Strategy (RIS) von der EK vorgeschlagenen Art. 30 Abs. 5b IDD versteckt sich ein Provisionsverbot für die unabhängige Beratung von Versicherungsanlageprodukten.

Nimmt EU-Kommission bewusst Wettbewerbsnachteil in Kauf?

Nachdem kürzlich eine „geleakte“ Version des IDD-Entwurfs bekannt geworden war, habe der Fachverband der Versicherungsmakler und BIPAR die Europäische Kommission und einzelne Kommissare ergänzend und ausdrücklich gewarnt, dass dieser Entwurf einem partiellen Provisionsverbot gleicht und nicht der Ankündigung der EU-Finanzkommissärin entspricht. Insofern habe man seitens der Europäischen Kommission offenbar bewusst in Kauf genommen, einem Teil der europäischen Versicherungsvermittler die primäre Vergütungsform zu verbieten.

Der Fachverband der Versicherungsmakler habe – wie viele andere europäischen Verbände auch – in den vergangenen Jahren viel Zeit und Energie dafür investiert, die Stakeholder auf der europäischen Ebene davon zu überzeugen,

  • dass der Versicherungsvertrieb keinen systematischen Fehlanreizen unterliegt,
  • dass die Vergütung mittels Provisionen für die Kunden leistbar und sozial gerecht ist,
  • dass Provisionsverbote zu Beratungs- und Qualitätsverlusten führen,
  • dass Provisionsverbote allenfalls europarechtlich unzulässig sind u.v.m.

Berghammer sieht dennoch gute Chance, Verbot zu verhindern

Doch offensichtlich vergeblich! Allerdings habe mit dem vorliegenden Kommissions-Entwurf das formelle Rechtssetzungsverfahren soeben erst begonnen, nun kommen der Rat und das Europäische Parlament mit ins Spiel.

Wie schätzt Fachverbandsobmann Berghammer die Chancen ein, dass ein Provisionsverbot auf Versicherungsanlageprodukte noch verhindert werden kann?Ich bin guter Dinge, dass wir ein Provisionsverbot verhindern können. Wir haben das schließlich auch bei der IDD hinbekommen. Jetzt geht die Arbeit los. Wir werden in den kommenden Monaten – gemeinsam mit vielen weiteren Verbänden, insbesondere mit unserer europäischen Interessenvertretung BIPAR – mit aller Kraft dafür weiterkämpfen, dass für die Versicherungsmakler die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten weiterhin als zu verprovisionierende Tätigkeit erhalten bleibt und dass damit die Versicherungsmakler nicht von diesem Teil des Marktes ausgeschlossen werden.“

Mit Finanzminister Brunner in intensivem Kontakt

Die nächsten Schritte seien laut Berghammer bereits akkordiert: „Wir haben nächste Woche einige Sitzungen, bei denen wir unsere Strategie besprechen werden. Wir stehen mit der Kommission sowie mit dem österreichischen Finanzminister Magnus Brunner im intensiven Kontakt. Wir hatten bereits letzte Woche eine Vorstandsitzung, da die geleakte Version bereits im Umlauf war. Wir werden alle Wege, die offen sind, versuchen zu beeinflussen.“

Wann die nötigen Entscheidungen des EU-Parlaments und des EU-Rats fallen werden, sei noch nicht abzusehen: „Jetzt muss es erst einmal ins Parlament, dann muss im Econ-Ausschuss ein Berichterstatter ausgewählt werden. Dann muss es bei einer Präsidentschaft auf die Tagesordnung kommen, damit der Trilog beginnen kann. Ich denke nicht, dass es in dieser Periode überhaupt noch fertig wird. Bis zur Umsetzung in Österreich kann es noch ein paar Jahre dauern. Es ist also kein Thema von Wochen und Monaten, sondern von Jahren“, so Berghammer.

Österreichs Sozialpartner einhellig gegen Provisionsverbot

Wie stehen die österreichischen EU-Abgeordneten zum Thema Provisionsverbot? „Die Abgeordneten der europäischen Volkspartei und der Sozialdemokratie sind auf unserer Seite. Den Rest kann ich nicht einschätzen. In Österreich ist die Sozialpartnerschaft, einstimmig gegen ein Provisionsverbot. Sowohl Wirtschaftsministerium, Sozialministerium, Wirtschaftskammer als auch Arbeiterkammer und Konsumentenschutz haben sich dagegen ausgesprochen, weil sie sehen, dass sich der Konsument am Ende des Tages die Beratung nicht mehr leisten können wird. Das Beispiel Niederlande hat es ja gezeigt. Dort gibt es ein Retail-Investment ab 100.000 Euro Jahresprämie und die Qualität der Beratung ist gesunken. Wo also hier die Konsumentenfreundlichkeit sein soll, verstehe ich nicht“, so der Fachverbandsobmann.

Foto oben: KR Christoph Berghammer, Fachverbandsobmann der Versicherungsmakler

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