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Leitungswasserschaden – „Unter Erdniveau“

(Bild: © Africa Studio – stock.adobe.com)

Leitungswasserschaden – „Unter Erdniveau“

03. April 2023

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6 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Das Hotel einer Versicherungsnehmerin, das aus fünf Untergeschossen, einem Erd-, und einem Obergeschoss besteht, erlitt im Rahmen von Bauarbeiten einen Wasserschaden. Die Versicherungsnehmerin begehrte hinsichtlich der beschädigten Gegenstände Deckung aus dem Versicherungsvertrag. Der Versicherer lehnte jedoch mit der Begründung ab, dass das fünfte UG nach der technischen Definition als unter dem Erdniveau liegend anzusehen sei. Da die Waren entgegen Art 8 AWBP nicht mindestens 12 cm über dem Fußboden gelagert worden seien, sei der Versicherer leistungsfrei.

Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Was ist passiert?

Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer besteht ein Bündelversicherungsvertrag, dem die „Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung A96“ und die „Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserschadenversicherung – Deckungsvariante Premium FL03“ zugrunde liegen. Die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung A96 (ABS) lauten auszugsweise wie folgt:

„Artikel 3 – Sicherheitsvorschriften
[…]
2. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat oder wenn zur Zeit des Versicherungsfalles trotz Ablaufes der in Absatz 1 beschriebenen Frist die Kündigung nicht erfolgt war.
[...]“

Die Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserschadenversicherung – Deckungsvariante Premium FL03 (AWBP) lauten auszugsweise:

„Welche Sicherheitsmaßnahmen sind zu treffen? – Artikel 8
Die gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften sind einzuhalten. Wenn diese nichts Strengeres festlegen gelten die Bestimmungen der Ergänzenden Bedingungen für die Sachversicherung (EBS), sowie folgende:

• Waren, die unter Erdniveau aufbewahrt werden, müssen mindestens 12 cm über dem Fußboden gelagert werden;
[…]

Das Hotel der Versicherungsnehmerin weist ein Obergeschoß (OG), ein Erdgeschoß (EG) und fünf Untergeschoße (UG) auf. Dieses wurde in steiler Hanglage errichtet, sodass die Ostseite des Gebäudes (Rück- und Längsseite des Gebäudes), dem Geländeverlauf folgend, eingeschüttet ist. Die Westseite ist dem Hang abgewandt und ist in allen Geschoßen, vom OG bis einschließlich zum fünften UG, freistehend. Der Hauptzugang zum Hotel erfolgt hangseitig ebenerdig auf dem Niveau des EG.Das unterste Geschoß ist ebenerdig von der freistehenden Seite (Westseite) zugänglich. Das Fußbodenniveau des fünften UG ist auf der gesamten Vorderseite über Erdniveau situiert.

Am 27.05.2018 kam es im hangseitigen Lüftungsraum des fünften UG zu einem Wasserschaden, nachdem im Rahmen von Bauarbeiten die Hauptwasserleitung beschädigt worden war. Das Wasser verteilte sich über das fünfte UG und floss aufgrund der westseitigen Gebäudeöffnungen schließlich hangabwärts ab. Die in Lager 4 unmittelbar auf dem Boden befindlichen Gegenstände der Versicherungsnehmerin wurden dabei beschädigt. Die Versicherungsnehmerin begehrte hinsichtlich der beschädigten Gegenstände Deckung aus dem Versicherungsvertrag und die entsprechende Versicherungsleistung.

Der Versicherer lehnte die Deckung mit der Begründung ab, dass das fünfte UG nach der technischen Definition als unter dem Erdniveau liegend anzusehen sei. Da die Waren entgegen Art 8 AWBP nicht mindestens 12 cm über dem Fußboden gelagert worden seien, sei der Versicherer leistungsfrei.

Die Versicherungsnehmerin teilte diese Ansicht nicht und entgegnete, dass es sich beim Lagerort der zerstörten Sachen nicht um einen unterhalb des Erdniveaus befindlichen Raum handle, zumal das gesamte Hotel in den Hang gebaut und das fünfte UG auf Straßenniveau liege. Sie sei daher nicht verpflichtet gewesen, besondere Sicherheitsmaßnahmen bei der Lagerung der Gegenstände zu veranlassen und habe auch kein grob fahrlässiges Verhalten zu verantworten.

Schließlich hatte sich der Oberste Gerichtshof (im Folgenden OGH genannt) mit der vorstehenden Rechtsfrage auseinanderzusetzen.

Wie ist die Rechtslage?

Der OGH führte zunächst aus, dass der Versicherungsnehmer gemäß Art 8 AWBP Waren, die unter Erdniveau aufbewahrt werden, mindestens 12 cm über dem Fußboden zu lagern hat. Dies ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft eine (vorbeugende) Obliegenheit, was insbesondere der Verweis auf Art 3 ABS deutlich zum Ausdruck bringt.

Zudem wies der OGH wiederholend darauf hin, dass die Versicherungsnehmer den Adressatenkreis von Allgemeinen Versicherungsbedingungen bilden, sodass es auf das Verständnis eines durchschnittlichen versierten Versicherungsnehmers ankommt. Eine Auslegung „unter Berücksichtigung der technischen Fachsprache“, wie sie der Versicherer vornimmt, ist der Judikatur des OGH nicht zu entnehmen. Der mit der Klausel verfolgte Zweck liegt ersichtlich darin, die höhere Schadensneigung im Rahmen einer Leitungswasserversicherung bei in tiefer gelegenen Gebäudeteilen situierten Waren zu reduzieren. Ein Raum ist dann unter Erdniveau, wenn dessen Fußboden niedriger liegt, als das Gelände um das Gebäude. Bei gestufter oder unebener Geländeumgebung, wenn er niedriger als die niedrigste Stelle des Geländes liegt. Da im vorliegenden Fall das Fußbodenniveau des fünften UG auf der gesamten Vorderseite über Erdniveau situiert ist und das Wasser im Wege der westseitigen Gebäudeöffnungen ungehindert abfließen konnte, war die Versicherungsnehmerin nicht verpflichtet, die beschädigten Waren mindestens 12 cm über dem Fußboden zu lagern.

Schlussfolgerungen

Durch vorliegende Entscheidung wird verdeutlicht, dass es nicht nur auf das Verständnis des durchschnittlichen versierten Versicherungsnehmer ankommt, sondern vielmehr auch der Zweck der Bestimmung unter Berücksichtigung der Einzelumstände von Bedeutung ist.

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