AssCompact berichtet in Kooperation mit versdb-Gründer Ewald Maitz, MLS über aktuelle und branchenrelevante OGH-Urteile.
Artikel von:
Ewald Maitz, MLS
Gründer und Geschäftsführer von versdb
Terrassentür nicht versperrt
Am 12. Dezember 2019 ereignete sich ein Einbruchsdiebstahl in das Wohnhaus des VN. Der VN hatte gegen 9:00 Uhr in der Früh das Haus verlassen und kam gegen 22:00 Uhr wieder zurück. Der oder die Täter drangen in diesem Zeitraum über eine Terrassentür in das Haus ein. Diese Tür hat außen einen fixen Knauf und ist von innen versperrbar. Zum Zeitpunkt des Einbruchs war die Tür nicht versperrt, sodass der oder die Täter die Tür „aufhebeln“ konnten. Wäre die Tür zum Zeitpunkt des Einbruchs versperrt gewesen, wäre eine wesentlich größere Gewalteinwirkung notwendig gewesen, um sie aufzubrechen. Dabei wäre eine massivere Ausprägung der Einbruchsspuren zu erwarten gewesen. Dem VN ist bekannt, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt, wahrscheinlich ebenfalls 2019, ein Einbruchsdiebstahl verübt wurde.
Nach Ansicht des OGH stellt das Verlassen des Hauses über mehrere Stunden bei unversperrter Terrassentür nicht in jedem Fall ein grob fahrlässiges Verhalten des VN dar. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem VN bekannt war, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Einbruchsdiebstahl verübt wurde, handelte es sich dabei doch um ein einmaliges Ereignis. Der VN behauptete im Verfahren erster Instanz, er würde die Tür stets versperrt halten und hätte dies lediglich am Vorfallstag ausnahmsweise vergessen. Zu dieser Behauptung hat das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen, die der VN in seiner Berufung bekämpft hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist diese Feststellung von Relevanz, muss doch nach der Rechtsprechung selbst ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sein. Wenn es der VN einmalig unterlässt, eine Terrassentür nicht zu versperren, liegt aber kein subjektiv schwerstens vorwerfbares Verhalten vor (Leistungsfreiheit lt. Bedingungen nur bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung).
Hätte die Rüge des VN Erfolg, könnte im fortgesetzten Verfahren eine für den VN günstige Feststellung getroffen werden und ein bloß leicht fahrlässiges Verhalten des VN vorliegen, sodass die Verletzung der Obliegenheit nicht die Leistungsfreiheit des Versicherers bewirken würde. In Wahrnehmung dieses Umstands war daher das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
versdb 2023, 52
Einbruchdiebstahl, Haushalt (Sach)
7Ob59/23m
Dieselabgasmanipulationssoftware - Erfolgsaussichten
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der von der Beklagten erhobene Einwand, wonach dem Kläger kein Schaden entstanden sei, weil er ein mangelfreies Fahrzeug erworben habe und dieses uneingeschränkt und mit keinen über den normalen Betrieb hinausgehenden Problemen nutzen habe können, als Tatfrage im Haftpflichtprozess zu beurteilen und für die Deckungspflicht unbeachtlich sei, ist nicht korrekturbedürftig. Dass die V* AG für den vom Kläger beabsichtigten Haftpflichtanspruch nicht passivlegitimiert und die Rechtsverfolgung deshalb aussichtslos sei, hat die Beklagte in erster Instanz nicht vorgebracht. Sie behauptete vielmehr sogar, diese sei „Hersteller des Fahrzeugs“. Die nunmehrigen Revisionsausführungen verstoßen somit gegen das Neuerungsverbot.
versdb 2023, 51
Rechtsschutz
7Ob114/23z
Aufklärungspflicht nach Ablehnung durch Versicherer
Im vorliegenden Fall lehnte die Beklagte die Versicherungsdeckung mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 definitiv ab, worauf der Kläger am 6. August 2021 die Deckungsklage einbrachte. Erst kurz vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 3. Oktober 2022 auf, ihr Informationen und Unterlagen über den Besitzstatus, den Kilometerstand, die Ausstattung des Fahrzeugs, den Kenntnisstand des Klägers betreffend den Dieselskandal und die vom Kläger wahrgenommenen Täuschungshandlungen der Fahrzeugherstellerin zu erteilen. Ganz abgesehen davon, dass die verlangten Informationen entweder nicht „erforderlich“ sind oder vom Kläger ohnehin im Rahmen dieses Verfahrens erteilt wurden hat die Beklagte ein Aufklärungsbedürfnis auch nicht dargelegt, hat sie es doch über einen Zeitraum von mehr als 1,5 Jahren nach Ablehnung der Deckung und von mehr als einem Jahr nach Beginn dieses Verfahrens nicht für notwendig erachtet, die nunmehr verlangten Informationen zu fordern, obwohl sich die Sachlage seither nicht geändert hat. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, es liege keine Verletzung des Art 8.1.1. ARB 2005 vor, ist daher nicht korrekturbedürftig.
versdb 2023, 50
Rechtsschutz
7Ob116/23v,7Ob114/23z
Zeitliche Begrenzung Krankengeld
Unter der Überschrift „Beendigung der Versicherung“ wird der durchschnittlich sorgfältige Leser thematisch auch nur Regelungen über die Beendigung des Versicherungsverhältnisses erwarten und gerade keine Einschränkung der unter der entsprechenden Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“ enthaltenen Leistungsbeschreibung (zeitliche Limitierung der Taggeld Leistung). Keine andere Überschrift lässt vermuten, dass in den BVB eine weitere Umschreibung der Leistungen (vor allem in Form einer Leistungsbegrenzung) bei aufrechtem Versicherungsverhältnis vorgenommen wird. Die Vertragsparteien der Beklagten werden daher davon ausgehen, dass es zu diesem Thema keine besondere Bestimmung in den BVB gibt. Auf gar keinen Fall werden sie eine Begrenzung der Leistung bei Fortbestehen des Vertragsverhältnisses unter der Überschrift „Beendigung der Versicherung“ vermuten oder gar suchen.
Die Leistungsbegrenzung ist damit ungewöhnlich und unwirksam nach § 864a ABGB.
versdb 2023, 49
Krankenversicherung
7Ob107/23w
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