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OGH zur Schadenminderungspflicht nach Feuerschaden

OGH zur Schadenminderungspflicht nach Feuerschaden

16. Februar 2021

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Die Problematik der Rettungsobliegenheit zeigt wieder ein aktueller Fall, mit dem sich der OGH beschäftigen musste (OGH 7 Ob 185/20m, versdb 2021, 12). Es ging darum, ob der VN es grob fahrlässig unterlassen hatte, die Trocknung der durch das Löschwasser durchnässten Gebäudeteile zu veranlassen.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 16.02.2021

Rechtslage

Am 3.7.2011 brannte das beim Versicherer feuerversicherte Gasthaus des VN ab.

Die dem Vertrag zugrundeliegende AFB enthielten u.a. folgende Bestimmung zur Schadenminderungspflicht:

„[…]
Art 4
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Schadenfall
(1) Der Versicherungsnehmer hat im Fall eines drohenden Schadens oder eines eingetretenen Schadens, für den er Ersatz verlangt, folgende Obliegenheiten:
a) Er hat nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen; gestatten es die Umstände, so hat er solche Weisungen einzuholen.
[…]
(2) Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehenden Obliegenheiten, ist der Versicherer nach Maßgabe des § 6 VersVG im Fall einer Verletzung der unter Abs (1) lit a) genannten Obliegenheiten nach Maßgabe des § 62 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.
[…]“

Der Versicherer wandte teilweise Leistungsfreiheit ein, weil der VN sieben Jahre lang untätig geblieben sei. Er habe seine Rettungs- bzw Schadenminderungspflicht verletzt, weil er eine sofortige technisch mögliche Trocknung der vom Löschwasser durchnässten Gebäudeteile unterlassen und die Dachflächenfenster offengehalten habe. Hätte der VN seine vertragliche und gesetzliche Schadenminderungspflicht erfüllt, dann wäre das versicherte Gebäude durch den Brand nicht wirtschaftlich abbruchreif geworden. Es sei allgemein bekannt, dass bei Wasserschäden sofort Erst- und Trocknungsmaßnahmen einzuleiten seien, um die Ausweitung des Schadens und das Entstehen von Schimmel zu vermeiden.

Der VN brachte im dritten Rechtsgang vor, er sei nach dem Schadenfall mit dem Versicherer in ständigem Kontakt gestanden. Der Versicherer habe ihn angewiesen, das Gutachten des beauftragten Sachverständigen abzuwarten, in dem dann die durchzuführenden Maßnahmen enthalten seien. Der Sachverständige habe jedoch keine Maßnahmen vorgeschrieben. Der VN habe sich nach dem Schadenfall auch bei zahlreichen Professionisten und Beratern erkundigt. Diese hätten ihn dahingehend beraten, dass das Objekt in wirtschaftlicher Hinsicht nur abgebrochen werden könne. Demnach wären Trocknungsmaßnahmen ein verlorener Aufwand gewesen.

Verstoß des VN gegen seine Rettungsobliegenheit?

Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war nun, ob die Vergrößerung des Schadens im Umfang der noch strittigen EUR 121.180 auf einen grob fahrlässigen Verstoß des VN gegen seine Rettungsobliegenheit gemäß § 62 Abs 2 VersVG zurückzuführen ist, der in diesem Umfang zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt.

Vorinstanzen entscheiden gegen VN

Die Vorinstanzen gingen nach Ansicht des OGH zutreffend davon aus, dass ein durchschnittlich verständiger VN weiß, dass Feuchtigkeit in einem Haus zu Schimmelbildung führen kann und er einer solchen Gefahr mit Abwehrmaßnahmen begegnen würde. Die Verletzung der Rettungsobliegenheit wurde daher aufgrund der Untätigkeit des VN zu Recht bejaht.

OGH weist Fall an Berufungsgericht zur Beweiswiederholung zurück

Der Feststellung zum vorgebrachten Erhalt fachmännischen Rats zur Abrissreife kommt lt. OGH rechtliche Relevanz im Zusammenhang mit dem vom VN behaupteten Fehlen von grobem Verschulden zu. Bei Fehlen eines groben Verschuldens wäre der Versicherer nämlich leistungspflichtig. Daher wurde der Fall an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Sollte das Berufungsgericht – nach Beweiswiederholung –, zu dem Schluss gelangen, dass der VN einen solchen Rat tatsächlich erhalten hat, könnte ihm die Annahme der Unzweckmäßigkeit von Trocknungsmaßnahmen infolge der Abrissreife und die darauf gründende Unterlassung ihrer Durchführung nicht (grob schuldhaft) vorgeworfen werden. Sollte das Berufungsgericht aber – wie das Erstgericht – zu dem Schluss kommen, dass dem VN der Beweis der Erteilung des von ihm behaupteten Rats misslang, ist anzumerken, dass die vom Berufungsgericht herangezogenen Teile des genannten Sachverständigengutachtens aus rechtlicher Sicht weder auf einen Totalschaden des Objekts noch darauf schließen lassen, dass der Aufwand für Trocknungsmaßnahmen verloren wäre. Es wäre kein nachvollziehbarer Grund für das Unterlassen von Trocknungsmaßnahmen oder – sofern der VN von einer unklaren Situation ausging – das Unterbleiben der Einholung einer Weisung des Versicherers für das weitere Vorgehen ersichtlich. In diesem Fall hätte der VN das nach seiner Behauptung fehlende grobe Verschulden nicht nachgewiesen. Eine Verpflichtung des Versicherers, eine Weisung zu erteilen, besteht hingegen nicht.

Anmerkung

Dieser noch nicht abschließend entschiedene Fall zeigt, wie problematisch das Thema der Rettungsobliegenheit ist. Die Rettungsobliegenheit gilt zeitlich unbeschränkt, solange der Schaden abgewendet oder gemindert oder der Umfang der Entschädigung gemindert werden kann. Sie verlangt inhaltlich vom VN die ihm in der jeweiligen Situation möglichen und zumutbaren Rettungsmaßnahmen unverzüglich und mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu ergreifen. Der Inhalt der Rettungs- und Schadenminderungsobliegenheit bestimmt sich danach, wie sich der VN verständigerweise verhalten hätte, wenn er nicht versichert wäre.

Der Versicherer hat den Verstoß gegen die Obliegenheit, der VN das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zu beweisen.

Grobe Fahrlässigkeit wird allgemein im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gebotenen Umständen hätte geschehen müssen. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist.

Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

Titelbild: @ Roland W. Waniek

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