Einst bei Anbietern wegen sicherer Erträge beliebt, gerät die Rechtsschutzversicherung zunehmend unter Kostendruck. Die Schadenfrequenzen steigen, die Prämien stagnieren sei Jahren auf niedrigem Niveau. Wie geht es weiter? Rechtsschutzexperte Dr. Helmut Tenschert betrachtet den Status quo und zeigt mögliche Wege in die Zukunft.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 19.05.2016
Der massive Ausbau der Konsumentenrechte hat das Anspruchsverhalten der Menschen verändert, gleichzeitig waren Prämienerhöhungen angesichts der harten Konkurrenz so gut wie nicht durchsetzbar. „Der Staat greift schon seit längerem bei den Gerichtsgebühren ungeniert zu und die Erhöhung des Rechtsanwaltstarifes hat ein Übriges getan, um die Margen schrumpfen zu lassen“, weiß Dr. Tenschert. Nicht zuletzt drohe aus den Urteilen zur Rückabwicklung von Lebensversicherungen eine neue Schadenlawine auf die Rechtsschutzversicherer zuzurollen.
Im Gegensatz zu früher können schlecht laufende Sparten heute nicht mehr durch Quersubventionen „saniert“ werden. Die Auswirkungen werden bereits spürbar. „Die Gesellschaften sind dazu übergegangen, Rechtsschutzverträge wegen Inanspruchnahme mehrerer Rechtsberatungen im Schadenfall zu kündigen, was öfter zu Unverständnis bei Betroffenen führt“, weiß der Versicherungsmakler und freie Berater. Wenig verwunderlich sei das aber bei Durchschnittsjahresprämien von 200 Euro im Konsumentengeschäft – „und drei Beratungen zu je 70 Euro sind doch mehr als 100% der Jahresprämie, oder?“
Wie bleibt die Rechtsschutz-Sparte auch in Zukunft für Versicherte und Anbieter attraktiv?
Reiner Kostenersatz werde laut dem Rechtsexperten jedenfalls nicht zum Erfolg führen. Vor allem dann, wenn der gewünschte Prozesserfolg ausbleibt, seien Kunden frustriert und wissen die Übernahme der hohen Kosten oft nicht wertzuschätzen.
Eine Option wäre es, Kosten für Streitfälle im Bagatellbereich zu entlasten, ohne dabei die Leistungsinhalte der Verträge zu vermindern – „sprich unter Vermeidung der Einführung von ungeliebten Selbstbehalten. Außer- oder vorgerichtliche Schlichtungsstellen sind die Lösung“, so Tenschert. Ein wichtiger Schritt hierzu war das „Alternative-Streitbeilegung-Gesetz“ (AStG), das im Jänner dieses Jahres beschlossen wurde.
Der Rechtsschutzversicherer als Ratgeber
Gesetzgebung und Rechtsprechung können mit den permanenten gesellschaftsrechtlichen Veränderungen nicht mehr Schritt halten. Auch deshalb sollte die Rechtsschutzversicherung ihre Rolle eines Ratgebers bei komplexen Sachverhalten intensiver betonen. „Der Weg der präventiven Schadenvermeidung erscheint am zielführendsten und erfolgversprechendsten.“ Geeignete Modelle setzen einzelne Gesellschaften bereits um – etwa Rechtsberatung durch hauseigene oder externe Juristen, telefonische oder Online-Rechtsberatung.
Ob bei Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten, beim Web- und Dokumentencheck oder bei der Testamentserstellung: Rechtsschutzversicherer können auf vielfältige Weise mit Beratung und Hilfe zur Seite stehen. Die Digitalisierung eröffne hier Möglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären. Die Kunden durch den immer dichteren Dschungel rechtlicher Vorschriften zu begleiten – dies stehe, so Tenschert, im Mittelpunkt aller Lösungsansätze. „Weg vom Kostenzahler und hin zum Problemlöser, das ist das Gebot der Stunde.“
Den detaillierten Artikel von Dr. Helmut Tenschert lesen Sie in der nächsten AssCompact Ausgabe.
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