Das Provisionsverbot in Großbritannien treibt die Automatisierung in der Branche an. Wird Finanzdienstleistung bald ohne persönliche Berater auskommen? Nein, meint Mag. Markus Waghubinger, AssCompact-Experte für Investment & Finanzen. Doch mit jedem technischen Fortschritt müssen sich auch Finanzberater mit ihren individuellen Stärken immer mehr behaupten.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 03.05.2016
Finanzberatung ist in Großbritannien seit Einführung des Provisionsannahmeverbotes 2013 teuer geworden: Honorare liegen durchschnittlich bei 150 Pfund pro Stunde oder werden prozentuell vom Vermögen verrechnet. Kleinanleger mit weniger Vermögen schließt das de facto von Finanzdienstleistungen aus, zugleich hat sich die Anzahl der Berater um 25% reduziert. Auch Anbieter stehen vermehrt unter Druck, den Beratungsprozess zu verschlanken, um Kosten zu reduzieren.
Automatisierung als logische Konsequenz
Während Produkte und Abläufe schon seit einigen Jahren standardisiert werden, hält nun auch die Automatisierung Einzug in die Branche. „Es verwundert angesichts des ‚Advice Gaps‘ in Großbritannien nicht, dass sogenannte Robo-Advisors im Vormarsch sind“, so Waghubinger.
Was ist ein Robo-Advisor? Zunächst einmal alles, was eine Empfehlung ohne menschliches Zutun generiert. „In der Regel wird dies ein geführter Beratungsprozess im Internet sein, der mit einem bestimmten Algorithmus ausgestattet ist. Die Bandbreite reicht dabei von der simplen Beantwortung einer Frage nach der Risikobereitschaft und des Anlagehorizonts bis hin zur komplexen Beratungssoftware“, weiß der Investment-Experte.
In der Beratung selbst seien auch hybride Ansätze denkbar und teilweise schon im Einsatz. „Dabei wird die automatisierte Onlineberatung kombiniert mit einer qualifizierten Telefon- beziehungsweise Videoberatung, die man für ein Extrahonorar direkt bei Fragen innerhalb des Robo-Advisor-Prozesses zuschalten kann.“ Dieses Honorar falle, so Waghubinger, natürlich ob des kostengünstiger organisierten Prozesses deutlich niedriger als zwei Stunden in einem hochwertigen Private Banking Beratungsoffice aus. „Die gleiche Beratungsqualität darf man in diesem Fall aber auch nicht erwarten.“
Individualität und Empathie machen den Menschen unersetzlich
Bei standardisierten Lösungen – egal ob automatisiert oder nicht – wird zwangsläufig viel Wert auf rechtliche Absicherung gesetzt. „Ist der Algorithmus falsch, gibt es nicht eine Hand voll Geschädigter, sondern betrifft das womöglich alle Anleger eines Portals. Echte Individualität kann mit einem Robo-Advisor also nicht erreicht werden. Bei sämtlichen Fragen wird immer nach starren Regeln vorgegangen werden müssen.“
In absehbarer Zeit werden Robo-Advisors laut Waghubinger noch nicht so ausgereift sein, um ihren menschlichen Pendants qualitativ die Stirn bieten zu können – „die meisten derzeit am Markt verfügbaren Lösungen verdienen sich eigentlich noch nicht einmal die Bezeichnung ‚Advisor‘“.
Klar ist für Waghubinger: Auch wenn sich automatisierte Lösungen Schritt für Schritt weiterentwickeln, wird der menschliche, empathische Spezialist in vielen Bereichen immer Vorteile gegenüber einem Algorithmus haben. Wer allerdings weiterhin in der Face-to-Face-Beratung erfolgreich sein will, brauche in Zukunft mehr als nur ein einfaches Produktangebot. „Mit jeder neuen Entwicklung von automatisierten Vorschlägen müssen Finanzberater noch mehr Leistung, Empathie und Fachwissen einbringen, um ihren Preis zu rechtfertigen.“
Der gesamten Artikel von Mag. Markus Waghubinger erscheint in der AssCompact Mai-Ausgabe.
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