Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch kommentiert für AssCompact aktuelle OGH-Entscheidungen. Der folgende Beitrag handelt davon, ob im vorliegenden Fall Erfrierungen – also kein „plötzlich eintretendes Ereignis“ – als Unfall angesehen werden können oder nicht.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 05.08.2021
Was ist passiert?
Zwischen den Streitteilen besteht ein Unfallversicherungsvertrag. Nach den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen liegt ein Unfall dann vor, wenn „die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.“ Der Versicherungsnehmer arbeitete am 08.01.2018 von 3:00 Uhr bis 8:30 Uhr als Kommissionierer in einer Tiefkühlanlage. Während dieser Schicht erlitt er im Zuge eines gewöhnlichen Arbeitsverlaufs aufgrund der allmählichen, ca. fünfstündigen Einwirkung der Kälte auf den Körper, Erfrierungen an den Fingern. Wie sich später herausgestellt hat und vom Versicherungsnehmer auch selbst behauptet wurde, hat er zwar eine unbeschädigte, allerdings ungeeignete Schutzausrüstung getragen. Aufgrund dieser Erfrierungen beabsichtigte der Versicherungsnehmer, Leistungen aus seiner Unfallversicherung geltend zu machen. Die beklagte Versicherung lehnte jedoch eine Versicherungsleistung mit der Begründung ab, dass Erfrierungen zwar eine Gesundheitsschädigung darstellen, im vorliegenden Fall jedoch aufgrund der fehlenden Plötzlichkeit kein Unfallereignis vorliegt.
Wie ist die Rechtslage?
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes (7 Ob 66/20m) gehört zur „Plötzlichkeit eines Unfalls das Moment des Unerwarteten und des Unentrinnbaren. Für den Versicherten muss die Lage so sein, dass er sich beim normalen Geschehensablauf den Folgen des Ereignisses im Augenblick ihres Einwirkens auf seine Person nicht mehr entziehen kann. „Plötzlich“ sind demnach insbesondere alle jene Ereignisse, die sich in einem sehr kurzen Zeitraum unerwartet ereignen. Es können aber auch allmählich eintretende Ereignisse unter den Unfallbegriff fallen, wenn sie für den Versicherungsnehmer unerwartet und unvorhergesehen waren. Ein Unfallereignis liegt damit nur dann vor, wenn objektiv für den betroffenen Versicherungsnehmer kein Grund bestand, mit den konkret eingetretenen Umständen zu rechnen, er davon überrascht wurde und ihnen nicht entgehen konnte.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch (Foto oben): „Erfrierungen stellen zwar grundsätzlich Gesundheitsschädigungen dar, sind aber – an sich – keine Unfallereignisse, weil Erfrierungen allmählich und gerade nicht „plötzlich“ auftreten. Durch eine bloß ungeeignete Schutzausrüstung befindet man sich auch nicht unausweichlich in einer unentrinnbaren und hilflosen Lage. Aus diesem Grund stellen Erfrierungen aufgrund mangelhafter Schutzausrüstung bei der Arbeit auch kein Unfallereignis im Sinne einer Unfallversicherung dar.“
Von Weinrauch Rechtsanwälte
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