Die prompte Gewährung von Berufsunfähigkeits- und/oder Invaliditätspensionen durch die gesetzlichen Versicherungsträger ist regelmäßig mit Fragezeichen verbunden und bedarf einer unstreitigen Anspruchsgrundlage. Die Tücken liegen aber auch hier oft im Detail, weswegen der Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung einen zusätzlichen Schutzschirm bieten kann, so Mag. Philipp Summereder, Rechtsanwalt und Vortragender bei den AssCompact Trendtagen.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 23.09.2022
Dass auch oftmals vermeintlich eindeutige Sachverhalte Fragezeichen aufwerfen können, zeigt etwa der Fall OGH 22.12.2005 10 ObS 114/05w:
Der in diesem Sachverhalt gegen die gesetzlich eingerichteten Versicherungsträger agierende Kläger litt seit seiner Geburt an einer schweren Erkrankung, nämlich an einem Wasserkopf. Sein Leiden bestand also bereits vor dem Eintritt in das Berufsleben, er hat dennoch stets als Stallarbeiter gearbeitet, war laufend pflichtversichert und hat 330 Beitragsmonate erworben. Er war zu keinem Zeitpunkt am allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsfähig. Der Kläger beantragte im Jahr 2004 die Gewährung einer Invaliditätspension, was die beklagte Partei mit Bescheid vom 18.01.2005 mit der Begründung ablehnte, dass ein bereits vor Eintritt in das Berufsleben eingetretener im Wesentlichen unverändert gebliebener Zustand nicht zum Eintritt des Versicherungsfalls der Invalidität führen könne. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger fristgerecht Klage mit dem Begehren auf Gewährung der abgelehnten Leistung im gesetzlichen Ausmaß. Der Kläger begründete den Anspruch damit, dass er bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung nicht im Stande gewesen sei, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, er jedoch mehr als 120 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung erworben habe und aufgrund einer massiven Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in den letzten Jahren nicht mehr im Stande sei, die bisherige Tätigkeit weiter zu verrichten.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, §255 Abs 7 ASVG erfordere, neben einer schon vor dem Eintritt in das Berufsleben bestehenden Erwerbsunfähigkeit und 120 erworbenen Beitragsmonaten der Pflichtversicherung, auch ein weiteres Herabsinken des Gesundheitszustandes, welches beim Kläger nicht vorliege.
Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht gaben dem Kläger recht.
Der OGH bestätigte die Entscheidungen des Erst- und des Berufungsgerichts
- Sowohl bei der Invaliditätspension aus der Pensionsversicherung der Arbeiter (§ 254 ASVG) als auch bei der Berufsunfähigkeitspension aus der Pensionsversicherung der Angestellten (§ 271 ASVG) handelt es sich um Leistungen aus Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit (§ 222 Abs 1 Z 2 lit a und b ASVG).
- Gemeinsam ist beiden Pensionsleistungen der beabsichtigte Schutz vor den Auswirkungen einer körperlich oder geistig bedingten Herabsetzung der Arbeitsfähigkeit. Verschieden ist jeweils die Vergleichsgröße, an der das Ausmaß der Herabsetzung der Arbeitsfähigkeit gemessen wird.
- Während es somit bei überwiegend als Hilfsarbeiter gewesenen Arbeitern auf die Erzielbarkeit der sogenannten „Lohnhälfte“ ankommt, ist bei überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig gewesenen Arbeitern oder bei Angestellten entscheidend, ob ihre Arbeitsfähigkeit mindestens noch die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten erreicht.
- Im Hinblick auf diese dargestellte Rechtslage hat der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach ständiger Rechtsprechung zur Voraussetzung, dass eine zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit, die zumindest die Hälfte der eines körperlich und geistigen gesunden Versicherten erreicht haben muss, durch nachfolgende Entwicklungen beeinträchtigt wurde.
- Die Bestimmungen der §§ 255 Abs 1 und 3 sowie 273 ASVG stellen somit immer darauf ab, ob der Versicherte zu einem bestimmten Zeitpunkt arbeitsfähig war, bevor diese Fähigkeit durch nachfolgende Entwicklungen ganz oder teilweise verloren gegangen ist.
- Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann bei Leistungen aus den Versicherungsfällen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles führen.
- Der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 255 Abs 7 ASVG einen Anspruch auf Invaliditätspension auch bei originärer Invalidität geschaffen. Er ist damit für den Anwendungsbereich dieser Bestimmung ganz bewusst von der im § 255 Abs 1 und 3 ASVG normierten Voraussetzung abgegangen.
- Der Gesetzgeber wollte damit auch Menschen, deren Arbeitsfähigkeit bereits bei Eintritt in die Erwerbstätigkeit aufgrund ihrer starken gesundheitlichen Einschränkungen auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und gesunden Vergleichsperson beschränkt war und die somit im Sinne der pensionsrechtlichen Bestimmungen (§§ 255, 273 ASVG) „arbeitsunfähig“ waren, den Erwerb eines Anspruchs aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit unter der Voraussetzung, dass sie dennoch über lange Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, ermöglichen.
- Der Gesetzgeber verlangt sohin für die Anwendung der Bestimmung des § 255 Abs 7 ASVG nicht, dass bei dem Versicherten bei Eintritt in die Erwerbstätigkeit eine bestimmte „Restarbeitsfähigkeit“ vorhanden gewesen sein muss, sodass auch Versicherte, die aufgrund ihrer starken gesundheitlichen Einschränkungen praktisch vollständig „arbeitsunfähig“ waren, jedoch aus besonderem Entgegenkommen eines Dienstgebers über lange Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.
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Welche spannenden Judikate zu dieser Thematik in den letzten Jahren noch ergangen sind, ist Gegenstand des Vortrags von Mag. Philipp Summereder am 6. Oktober im Rahmen der AssCompact Trendtage zum Thema „Rechtsentwicklung im Sozialversicherungsrecht und der privaten Vorsorge gegen Berufsunfähigkeit und Invalidität“.
Der Vortrag wird von der Dialog Versicherung unterstützt, der das Thema private Vorsorge besonders am Herzen liegt. „Invalidität und Berufsunfähigkeit sind die gravierendsten biometrischen Risiken“, so Willi Bors, Direktor Österreich der Dialog Lebensversicherungs-AG, und erklärt: „Vorsorge ist unerlässlich, damit der Betroffene und seine Familie nicht in eine die wirtschaftliche Existenz bedrohende Situation geraten. In Österreich gibt es zwar eine gesetzliche Pensionsregelung, doch sind deren Leistungen keinesfalls zureichend, um den gewohnten Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Zudem wurde mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 der Zugang zur staatlichen Rente aufgrund von Berufsunfähigkeit deutlich erschwert. Private Vorsorge ist daher unabdingbar. Die Dialog als Spezialversicherer für biometrische Risiken bietet mit ihren zielgruppenorientierten, top-gerateten Tarifen einen zuverlässigen Schutz für alle Bedarfssituationen.“
Der BU-Schutz müsse umfassend und bezahlbar sein, so Bors weiter und verweist auf die Nachversicherungsgarantien: „Umfangreiche Nachversicherungsgarantien – ereignisabhängig und ereignisunabhängig – gewährleisten bei der Dialog, dass die Höhe der Pension stets dem Bedarf entspricht. Auch eine Dynamik im Leistungsfall kann vereinbart werden. Schwere Erkrankungen stellen einen Leistungsauslöser, unabhängig vom BU-Grad 50%, dar. Schließt der Kunde eine Dread Disease Option ab, wird bei Eintritt einer schweren Erkrankung oder bei Verlust einer der Grundfähigkeiten Sehen, Hören, Sprechen eine Einmalzahlung von bis zu 150.000 Euro fällig. Bei finanziellen Engpässen ist eine Beitragsstundung bis zu 24 Monate möglich. Eine der größten Herausforderungen ist die Bezahlbarkeit. Für junge Leute bietet die Dialog einen altersabhängig, damit immer risikoadäquat kalkulierten Tarif an, der einen vollwertigen Schutz gegen äußerst günstige Prämien gewährleistet.“
Und obwohl der österreichische Versicherungsverband für 2021 lediglich 8.808 polizzierte Verträge ausweist, erfreut sich die Dialog jedoch über eine sehr positive Entwicklung im BU-Neugeschäft. „Insgesamt muss die Marktdurchdringung noch wachsen“, erläutert Bors und sagt weiter: „Hier sind Versicherungswirtschaft, Politik und Verbraucherschützer gefragt, die Konsumenten verstärkt über die Notwendigkeit der BU-Absicherung aufzuklären.“
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Foto oben Mag. Philipp Summereder, Rechtsanwalt / Partner bei der Summereder Pichler Wächter Rechtsanwälte GmbH
Titelbild: ©frittipix – stock.adobe.com
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