Laufende Veränderungen der Unternehmerrisken stellen dementsprechende Anforderungen an die Leistungsinhalte von Betriebsversicherungen dar. Es ist zu hinterfragen, inwieweit die marktüblichen Produkte diesen Ansprüchen genügen oder wesentliche Deckungslücken unberücksichtigt bleiben. Aus Aktualitätsgründen ist das Thema Cyber voranzustellen.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 14.02.2022
Von Dr. Helmut Tenschert, Unabhängiger und zertifizierter Bildungsträger für Versicherungsmakler und -agenten
Neben den Risikoverschärfungen durch die Pandemie steht die kontinuierlich anwachsende Anzahl an Cyber-Attacken immer mehr im Fokus der Managements. Alle Unternehmen sind bedroht, viele sind schon Opfer eines derartigen Angriffs mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen geworden.
Cyber-Versicherungen ist eine weitgedehnte Bezeichnung, die Definition zum Schadensfall ist nicht einheitlich, die Abgrenzungen zu anderen Sparten oft nicht eindeutig. Bedingungswerke sind unterschiedlich und schwer vergleichbar. Vergleichsweise wenige Anbieter teilen sich diesen jungen Markt. Umfangreiche und nicht immer leicht verständliche Fragebögen machen es nicht einfacher.
Das Risikobewusstsein der Kunden ist spürbar gestiegen, auch in deren IT-Abteilungen. Dazu kommt die laufende Berichterstattung in den Medien. Zunehmende Schäden, sowohl an Menge wie auch der Kosten führen zu einem noch enger werdenden Markt. Versicherer ziehen sich zurück, es werden weniger hohe Versicherungssummen zur Verfügung gestellt. Die Prävention und die Risikoinformationen rücken verstärkt in das Vorfeld eines Abschlusses.
Dementsprechend wird die Nachfrage weiter steigen, nicht zuletzt auch durch das Bekanntwerden vieler Sicherheitslücken (Microsoft, Java mit log4j, uvm.). Trotzdem wird es weiter möglich sein, für KMUS Angebote zu erhalten, bei Konzepten für Großrisken kann das schon schwieriger werden. Verschärfungen bei den Sicherheitsvoraussetzungen werden weiter zunehmen, ohne derartige Präventionen wird bereits von einem unversicherbaren Risiko auszugehen sein. Das zeigt wohl eindeutig die hohe Sensibilität des Themas.
Beratung ist ein MUSS!
Dem folgend erscheint die Beratung von Unternehmensleitungen dazu ein unverzichtbares Erfordernis zu sein, und zwar ohne Wenn und Aber. Das Haftungsrisiko könnte sonst voll auf den freien Berater durchschlagen, ganz abgesehen davon, dass es einfach nicht entschuldbar ist, die Kunden über eine solche Bedrohung, bzw. die Versicherbarkeit derselben, uninformiert zu belassen.
Eines der wichtigsten Kriterien für eine schnelle und wirksame Reaktion auf eine Cyber-Attacke ist zuallererst die Möglichkeit eines raschen Zugangs zu einem professionellen Cyber-Dienstleister, der sofort damit beginnen wird, den hervorgerufenen Stillstand des Betriebes zu bekämpfen und in kürzester Zeit zu beenden. Diese Leute sind hoch ausgelastet und im Bedarfsfall schwer zu bekommen. Eine Cyber-Versicherung stellt diesen unerlässlichen Zugang sicher. Weiter kann die Unterstützung durch einen erfahrenen Rechtsdienstleister für die Vertretung bei Drittschäden erforderlich werden.
Achten Sie auf eine ausreichende Versicherungssumme im Bereich der Betriebsunterbrechung und der Erpressung, Stichwort Lösegeld. Auch die Deckung für die Kosten der Datenwiederherstellung durch eigenes Personal sollte gegeben sein.
Für Geschäftsleitungen bedeutet die Gefahr einer durchgegangenen Attacke ein zusätzliches Bedrohungsszenario, nämlich von den Eigentümern des Betriebes als Verantwortlicher für die finanziellen Schäden daraus in Anspruch genommen zu werden.
D&O-Versicherungen am österreichischen Markt rar
Unternehmensleiterdeckungen oder D&O-Versicherungen tragen in solchen Fällen zur besseren Bewältigbarkeit dieser Herausforderungen bei, österreichische Versicherer engagieren sich da kaum, man wird hauptsächlich auf deutsche, englische oder US-amerikanische Anbieter ausweichen müssen. Das vorgelagerte strafrechtliche Risiko zur Verteidigung betreffend einen allfälligen Vorwurf der Untreue ist glücklicherweise bei einigen heimischen Rechtsschutzversicherungen platzierbar, beachten Sie aber, dass Vertragsgrundlagen nach ARB ohne zusätzliches Klausel-Paket für eine effiziente Absicherung nur wenig geeignet erscheinen. USRB oder auch SRB bieten da maßgeblich erweiterten Schutz.
Generell muss festgestellt werden, dass der Anbietermarkt von großer Zurückhaltung zum Vermögensschadenrisiko gekennzeichnet ist. Bei klassischen Betriebshaftpflichtversicherungen werden Deckungen, soweit überhaupt, lediglich mit teilweise lächerlich geringen Sublimits eingeschlossen. Diese erfordern eine signifikante Anpassung nach oben.
Ganz anders der deutsche Markt, abgesehen von prinzipiell höheren Pauschalversicherungssummen, sind Vermögensschadenhaftpflichtlösungen mit 500.000 Euro absolut nicht ungewöhnlich.
Lückenhaft sind auch die Konzepte bei der erweiterten Produkthaftpflichtversicherung bezüglich Folgeschäden, Vordeckung oder Nachhaftung. Branchenübliche Vertragshaftungen werden selten gezeichnet, zumeist beschränkt man sich auf die genormten Vertragshaftungen.
Im Bereich der Sachversicherung wird es für bestimmte Branchen immer schwieriger Risikoträger zu finden. Ich denke hier an Recycling-Betriebe, Reifenlager oder auch Diskotheken. Wenn auch zu höheren Prämien, kann man derart schadenssensiblen Betrieben durchaus Versicherungsschutz zur Verfügung stellen.
Für größere Unternehmen ist es sinnvoll Beratungen und Informationen über Vertrauensschadenversicherungen vorzunehmen. Schäden durch vorsätzliche und unerlaubte Handlungen eigener Mitarbeiter oder anderwärtiger Vertrauenspersonen werden bedauerlicherweise mehr und sind, sollten sie eintreten, finanziell belastend. Cyber-Crime als Schlagwort dafür.
Resümee
Die Produktwelt ist bei unseren Versicherern im Großen und Ganzen ok, bestehende Lücken sollten aber bekannt sein und geschlossen werden.
Das Kleingewerbe erscheint mit den vorwiegend automatisierten Multi-Line-Lösungen der Anbieter weitgehend und sinnvoll versorgt, die zunehmende Digitalisierung in diesem Bereich bringt zusätzlich den Vorteil für den freien Berater, den Abwicklungsprozess bei Vertragsabschluss und Schadenerledigung zeitschonend und effizient gestalten zu können.
Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Februar-Ausgabe!
Foto oben: Dr. Helmut Tenschert, Unabhängiger und zertifizierter Bildungsträger für Versicherungsmakler und -agenten
Titelbild:©Thaut Images – stock.adobe.com
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