Es kommt immer wieder vor, dass sich Kunden durch bewusst falsche Angaben eine Versicherung erschleichen, die sie niemals erhalten hätten, wenn der Versicherer die Wahrheit gekannt hätte. Einen tragischen Fall, der bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) ging, kommentiert Schadensexperte Dr. Wolfgang Reisinger.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 30.09.2016
Im Mai 2010 schloss der Kunde eine Ablebensrisikoversicherung ab, die Versicherungssumme betrug 250.000 Euro. Die Frage im Antrag nach psychischen Erkrankungen oder Beschwerden kreuzte er mit „ja“ an – seit fünf Jahren werde er wegen Depressionen behandelt. Verschwiegen hat der Mann allerdings, dass er wegen einer massiven depressiven Symptomatik mit Suizidgefährdung zwölf Mal in stationärer Behandlung gewesen war. Ob er Medikamente nehme und ob eine Suchtmittel- oder Drogenabhängigkeit bestehe? Das verneinte der Mann, obwohl bei ihm tatsächlich sowohl eine Alkoholerkrankung als auch eine Medikamentenabhängigkeit festgestellt wurde. Ebenso „nein“ kreuzte er bei der Frage nach Kuraufenthalten und Entzugskuren an – in Wahrheit hatte er 2006 eine Alkoholentzugskur gemacht.
Ein knappes Jahr nach Abschluss der Versicherung beging der Mann Selbstmord. Der Versicherer lehnte die Deckung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ab, die Deckungsklage der Bezugsberechtigten blieb in allen Instanzen erfolglos.
OGH: Gefahrenerheblichen Umstand bewusst verschwiegen
Für den OGH war zweifellos klar, dass der Versicherer allein aus der verharmlosenden Angabe „Depression“ in diesem Fall nicht auf eine derart schwere Selbstmordgefährdung schließen konnte. Und dass der Mann wegen Selbstmordgedanken stationär behandelt wurde, sei ein gefahrenerheblicher Umstand, dessen Mitteilung als selbstverständlich erscheine und bei objektiver Betrachtung auch geeignet sei, den Versicherer zu motivieren, den Versicherungsvertrag nicht abzuschließen.
Klägerin: Versicherer hätte Ärzte fragen können
Die Klägerin ist selbst davon ausgegangen, dass die Depression, die Suizidgedanken und die suizidale Einengung zum Selbstmord geführt haben und damit kausal zur Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht waren. „Abgesehen davon kann beim geschilderten Sachverhalt kein Zweifel daran bestehen, dass der VN sich durch das Verschweigen wesentlicher Umstände den Versicherungsvertrag erschlichen und damit arglistig gehandelt hat“, so Reisinger. Der Einwand der Klägerin, der Versicherer hätte sich die notwendigen Informationen bei den Ärzten des Mannes holen können, könne laut Reisinger nicht erfolgreich sein – denn „die entsprechenden Angaben zum Gesundheitszustand bestimmen, ob und welche Erhebungen der Versicherer als notwendig erachten wird.“
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