Man spricht derzeit viel über kundenorientierte Produktlösungen. Dabei scheitern kundenorientierte Lösungen bereits an vermeintlichen Kleinigkeiten, die im Schadensfall aber große Auswirkungen haben können, wie man am Beispiel des zeitlichen Geltungsbereiches in der Rechtsschutzversicherung sieht.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 08.02.2018
Von Ewald Maitz, MLS
Bei einem auch zeitlich nahtlosen Versichererwechsel in der Rechtsschutzversicherung sind neben einem meist umfangreicheren Ausschlusskatalog zeitliche Deckungslücken praktisch immer vorhanden. Auch die meisten von Versicherern oder Versicherungsmaklern entwickelten sogenannten „Umdeckungsklauseln“ sind meist lückenhaft und lösen die Problematik daher nur selten ausreichend.
Unterschiedliche Versicherungsfalldefinitionen
Ältere Versicherungsbedingungen sehen im Schadenersatzrechtsschutz für reine Vermögensschäden (nicht zu verwechseln mit der Vermögensveranlagung) das Schadenereignis als Versicherungsfall an, neuere Bedingungen jedoch den zeitlich meist früher liegenden Verstoß (die Ursache). Es kann somit beim Versichererwechsel vorkommen, dass sowohl der Vorversicherer als auch der neue Versicherer leistungsfrei ist, weil der Versicherungsfall jeweils in die Laufzeit des anderen Versicherers fällt.
Neue zeitliche Risikoauschlüsse
Die aktuellen Musterbedingungen enthalten einen weiteren zeitlichen Risikoausschluss (Artikel 3.2 ARB Musterbedingungen des VVO), der in älteren Bedingungen nicht vorhanden war. Hier sind Versicherungsfälle, deren Ursache vor dem Vertragsbeginn liegt, ausgeschlossen. Liegt die Ursache für den Versicherungsfall in der Vertragslaufzeit des Vorversicherers, ist der neue Versicherer aufgrund des Ausschlusses leistungsfrei, der Vorversicherer auch, weil der Versicherungsfall in die Laufzeit des neuen Versicherers fällt.
Willenserklärungen und Rechtshandlungen vor Vertragsabschluss
Löst eine Willenserklärung oder eine Rechtshandlung (Kündigung, Vertragsabschluss, …) den späteren Versicherungsfall aus, besteht kein Versicherungsschutz beim neuen Versicherer, selbst wenn der Versicherungsfall in der Laufzeit des neuen Versicherungsvertrages liegt. Auch der Vorversicherer ist leistungsfrei, weil der Versicherungsfall nicht in seine Laufzeit fällt. In älteren Bedingungen war das Problem insofern entschärft, weil Willenserklärungen oder Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Vertragsabschluss stattgefunden haben, vom Ausschluss nicht erfasst wurden. Dieses Jahreslimit gibt es in neueren Versicherungsbedingungen nicht mehr – für den Versicherungsnehmer ein gravierender Nachteil.
Zeitliche Lücken im Erb-Rechtsschutz
Es besteht kein Versicherungsschutz, wenn der dem Versicherungsfall zugrunde liegende Todesfall 6 Monate vor bzw. 12 Monate nach Versicherungsbeginn eingetreten ist. Wird der Versicherer nahtlos gewechselt und ereignet sich der dem Streit zugrunde liegende Todesfall beispielsweise 10 Monate nach Beginn des neuen Vertrages, sind sowohl der Vorversicherer als auch der neue Versicherer leistungsfrei. Der neue Versicherer ist auch bei Verzicht auf die Wartezeiten leistungsfrei, weil es sich bei diesem Ausschluss um keine Wartezeit, sondern um einen eigenen zeitlichen Risikoausschluss handelt.
Wartezeiten und Nachmeldefrist
Weitere Lücken beim Versichererwechsel können durch Wartezeiten beim neuen Vertrag oder durch Nachmeldefristen beim Vorversicherer entstehen. Auf Wartezeiten verzichtet der neue Versicherer aber meist problemlos. Das Thema der Nachhaftung wurde durch OGH-Entscheidungen zumindest entschärft.
Wenn man von kundenorientierten Produktlösungen spricht, müssen auch solche vermeintlichen Kleinigkeiten gelöst werden. Jede Firmenrechtsschutzversicherung aber auch jede Privatrechtsschutzversicherung ist von derartigen zeitlichen Deckungslücken betroffen.
Der Artikel erscheint auch in der AssCompact Februar-Ausgabe. Ewald Maitz ist Gründer der Versicherungsrechtsdatenbank www.versdb.at sowie der Internetplattform www.knowhow-versicherung.at.
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren