Der Rechtsschutzversicherer übernimmt die angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer (VN) tätigen Rechtsanwalts. Wie man vorgeht, wenn man sich über die Auslegung des Begriffes „angemessen“ nicht einig ist, zeigt die Entscheidung OGH 7 Ob 143/20k vom 24.02.2021.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 6/18/2021
Von Dr. Wolfgang Reisinger (Foto)
Sachverhalt
Eine Bezirkshauptmannschaft forderte die VN auf, den Lenker des auf sie zugelassenen PKW bekanntzugeben. Die VN übersandte der Behörde per Telefax ein handschriftlich ausgefülltes Auskunftsschreiben und gab darin ihren Lebensgefährten als auskunftspflichtige Person bekannt, wusste aber, dass dieser der tatsächliche Lenker war. Die Bezirkshauptmannschaft verhängte über die VN in der Folge eine Strafverfügung über 300 Euro, weil sie als Zulassungsbesitzerin die angeforderte Lenkerauskunft nicht erbracht habe. Die VN erhob dagegen Einspruch. Das Verwaltungsstrafverfahren endete nach zweieinhalb Jahren mit Einstellung. Der Rechtsanwalt der VN legte eine Honorarnote über 26.644,68 Euro. Der Versicherer zahlte an ihn 7.000 Euro und wies die VN an, die Honorarnote nicht selbst zu begleichen, sondern ihr zur Prüfung weiterzuleiten. Die VN machte im nunmehrigen Deckungsprozess geltend, der Versicherer sei verpflichtet, die Differenz, das heißt 19.644,68 Euro, an ihren Rechtsanwalt zu bezahlen, blieb mit ihrem Begehren aber erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung besteht in der Kostentragung im Umfang der angemessenen Kosten des für den VN tätigen inländischen Rechtsanwalts. Die Freistellung von Anwaltskosten bedeutet, dass der Versicherer entweder diese nach Grund und Höhe anerkennt und zahlt oder für die Ansprüche, die er für unberechtigt hält, die Kosten für deren Abwehr übernimmt. In jedem Fall hat er dafür zu sorgen, dass der VN selbst keine Kosten zu tragen hat. Der Versicherer hat also ein Wahlrecht dahin, dass er alternativ zur Bezahlung der Rechnung – zunächst – Abwehrdeckung gewährt. Dann muss er sich mit dem Anwalt als Kostengläubiger auseinandersetzen und den VN bei gerichtlicher Inanspruchnahme durch Kostenübernahme unterstützen. Die Kostenfreistellung hat der Versicherer hier nie bestritten. Er bot vielmehr die Kostenübernahme für ein Verfahren zwischen der Klägerin und ihrem Rechtsvertreter an. Das Begehren der Klägerin ist daher unberechtigt.
Kommentar
Dass für die Abwehr einer – noch dazu vermutlich berechtigten – Geldstrafe von 300 Euro Anwaltskosten von nahezu 27.000 Euro aufgewendet werden, lässt Rückschlüsse auf das Rechtsempfinden der VN zu. Es handelt sich einerseits um einen sinnlosen Prozess, andererseits ist es gut zu wissen, wie ein VN vorgehen soll, damit er bei Uneinigkeit zwischen Versicherer und Rechtsanwalt über die Höhe der angemessenen Kosten nicht auf der Strecke bleibt.
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Titelbild: ©ARMMYPICCA – stock.adobe.com
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