Die hohe Inflation beeinflusst das Verhalten der Anleger in Österreich. KommR Mag. Hannes Dolzer, Fachverbandsobmann der Finanzdienstleister, erklärt, wie sich die Nachfrage verändert und welche Herausforderungen die Finanzdienstleistungsbranche in den kommenden Jahren erwarten.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 20.08.2024
KommR Mag. Hannes Dolzer, Fachverbandsobmann der Finanzdienstleister; Wirtschaftskammer Österreich
Die hohe Inflation hat den Investmentsektor stark beeinflusst. Hannes Dolzer, Fachverbandsobmann der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer Österreich, erklärt: „Menschen, die über freies Kapital verfügen, investieren verstärkt in Wertpapiere.“ Besonders im Bereich Anleihenfonds und Vermögensverwaltungen zeige sich eine erhöhte Nachfrage. Im Gegensatz dazu sei das Interesse an Immobilieninvestitionen aufgrund der gestiegenen Preise und hohen Zinsen deutlich gesunken. Die Unsicherheit habe laut Dolzer dazu geführt, dass Anleger sich vermehrt mit alternativen Veranlagungen beschäftigen: „Das Interesse an alternativen Veranlagungen ist gestiegen, obwohl es noch eine gewisse Unsicherheit gibt.“
Rückgang bei Lebensversicherungen und neue Herausforderungen in der Beratung
Die Lebensversicherung hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. „Die klassische Lebensversicherung mit garantierten Erträgen hat an Bedeutung verloren, zum Teil bieten Versicherer hier gar keine Tarife mehr an,“ so Dolzer. Auch bei fondsgebundenen Lebensversicherungen, die zuletzt beliebt waren, habe es im letzten Jahr einen Rückgang gegeben. Dennoch bleibe der Markt stabil, mit einer Verschiebung der Tarife. Die wirtschaftliche Lage habe auch die Anforderungen in der Beratung verändert. Kunden seien vorsichtiger geworden, aber das Bewusstsein für die Folgen der Inflation sei gestiegen. „Beraterinnen und Berater sollten verstärkt auf Menschen zugehen und ihnen die Folgen der Inflation bewusst machen,“ rät Dolzer.
Notwendige Reformen in der privaten Vorsorge
Für die Zukunft sieht Dolzer großen Reformbedarf in der privaten Vorsorge. Ein zentrales Thema ist die Anpassung der Dokumentations- und Informationspflichten. „Kundinnen und Kunden müssen heutzutage so viele Informationen erhalten, dass sie diese gar nicht mehr erfassen wollen oder können,“ kritisiert Dolzer. Er fordert zielgerichtetere Informationspflichten und die Beibehaltung der Provisionssysteme, um auch Menschen mit geringem Einkommen Zugang zu persönlicher Beratung zu ermöglichen. Ein weiteres Anliegen ist die Erhöhung der maximalen Jahresprämie in der betrieblichen Vorsorge, die seit Einführung des Euros kaum angepasst wurde. „Hier ist dringender Bedarf gegeben, damit diese Vorsorge wieder zu einem sinnvollen Instrument wird,“ erklärt Dolzer.
Die Zukunft des Investmentsektors sieht Dolzer zweigeteilt: Einerseits werde Robo-Advice, also digitale Anlageberatung, weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere bei jüngeren Anlegern. Andererseits bleibe die persönliche Beratung ein unverzichtbarer Bestandteil für viele, insbesondere für ältere Menschen oder solche mit größeren Vermögenswerten. „Die persönliche Beratung wird auch in Zukunft ein wichtiger Faktor am Markt sein,“ so Dolzer.
Im Bereich der Finanzdienstleistungen bleibt der Fachverband weiterhin aktiv, insbesondere bei der europäischen Kleinanlegerstrategie und der Neugestaltung der Befähigungsprüfungsordnung. Dolzer unterstreicht den Einsatz des Verbands für praxisnahe Lösungen und Wahlfreiheit im Vermittlungsentgelt, um die Branche zukunftsfähig zu halten.
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