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Mangel und Mangelfolgeschaden in der Betriebshaftpflichtversicherung

(Bild: © utah51 - stock.adobe.com)

Mangel und Mangelfolgeschaden in der Betriebshaftpflichtversicherung

19. August 2024

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5 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Versicherungsnehmerin wurde das Absonderungsrecht einer Klägerin an der Entschädigungsforderung gegenüber dem Haftpflichtversicherer anerkannt. Hintergrund ist eine Havarie bei einer Tiefenbohrung, die durch Verschulden der Versicherungsnehmerin entstand und der Klägerin Schäden sowie zusätzliche Kosten verursachte. Der Versicherer bestreitet die Deckung und argumentiert, dass die Forderungen Erfüllungssurrogate sind. Der OGH musste klären, ob diese Forderungen versichert sind und ob ein Risikoausschluss für die Rohre gilt. (7Ob18/24h)

Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, der unter anderem folgende Bestimmungen zugrunde lagen:

„ALLGEMEINE BEDINGUNGEN FÜR DIE BETRIEBSHAFTPFLICHTVERSICHERUNG

Artikel 3

3. Abgrenzung zum Leistungsversprechen

Das Leistungsversprechen des Versicherers gemäß Punkt 1. umfasst somit nicht:

3.1 Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung;

3.2 Ansprüche auf Gewährleistung für Mängel (zB auch Entgelt für mangelhaft erbrachte Leistungen); […]

Artikel 8

AUSSCHLÜSSE VOM VERSICHERUNGSSCHUTZ

[…]

9. Schäden an eigener Leistung

Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung

liegenden Ursache entstehen.

[…]“

Über das Vermögen Versicherungsnehmerin wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter anerkannte das Absonderungsrecht der Klägerin als Insolvenzgläubiger an der Entschädigungsforderung der Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherungsträger als Haftpflichtversicherer gemäß § 157 VersVG.

Die Klägerin beauftragte nämlich die Versicherungsnehmerin 2016 mit einer Tiefenbohrung. 2017 kam es aufgrund Verschuldens der Versicherungsnehmerin zu einer Havarie, die zum Scheitern der Bohrung führte. Dadurch entstanden der Klägerin Schäden.

Das Bohrloch musste aufgegeben und mit Zement verfüllt werden, dabei verblieben Rohre der Klägerin im Bohrloch. Die Klägerin kaufte für eine erneute Tiefenbohrung ein nahegelegenes Grundstück. Die Schallschutzelemente mussten bis zum Beginn der neuen Bohrung vorgehalten werden und wegen der durch den Vorfall verursachten Verzögerung entstanden der Klägerin Mehrkosten wegen eines „Wärmeversorgungsaufwands“.

Die Klägerin verlangte insgesamt 1.003.033,84 Euro aus dem Versicherungsvertrag, einschließlich Kosten für die Verfüllung des Bohrlochs, den Wert der Rohre, Vorhaltekosten für Schallschutzwände, Grundstückskosten und Mehrkosten für die Wärmeversorgung.

Der beklagte Versicherer argumentierte, dass die geltend gemachten Forderungen Erfüllungssurrogate und somit nicht von der Versicherung abgedeckt seien.

Vor dem OGH war strittig, ob die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen Erfüllungssurrogate iSd. Art 3 AHVB 2004 darstellen und ob für die Rohre der Risikoausschluss gemäß Art 8.9. AHVB 2004 zur Anwendung kommt.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 22.05.2024, Geschäftszahl: 7Ob18/24h, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) aus, dass in der Betriebshaftpflichtversicherung die Ausführung der bedungenen Leistung und Erfüllungssurrogate grundsätzlich nicht versichert ist, weil das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer übertragen werden soll.

Der Versicherungsschutz umfasst daher nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse, also das Interesse, das die geschädigte Partei an der Erfüllung des Vertrages hatte, hinausgeht.

Mangelfolgeschäden und Begleitschäden sind gedeckt, wenn sie über den Ausgleich der ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags hinausgehen. Mangelfolgeschäden sind Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werks beziehen, sondern daraus entstehen, dass durch die mangelhafte Leistung ein Schaden an einem anderen Vermögenswert entsteht.

Ein Mangelfolgeschaden daher weder die reine Erfüllung des Vertrags, noch einen Ersatz der zur Erreichung der unmittelbaren geschuldeten Leistung dient.

Der OGH entschied daher, dass die Kosten für den Ankauf des Grundstücks, die Beschädigung der Rohre und die Verfüllung der Rohre gedeckt sind, da sie nicht zur Erreichung des unmittelbaren Leistungsinteresses dienten, sondern ein Folge-/Begleitschaden sind.

Weiters sprach der OGH aus, dass offen bleibe, ob die Mehrkosten für die Wärmeversorgung und Schallschutzwände direkt mit der Mangelbehebung und der ordnungsgemäßen Erfüllung zusammenhängen oder auch als Folge-/Begleitschäden zu betrachten sind.

Schlussfolgerungen

Der Versicherungsschutz umfasst in diesem Fall nur jenen Schaden, der über das Interesse an der Erfüllung des Vertrages hinausgeht. Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung fallen ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung.

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