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Der Serienschaden in der Rechtsschutzversicherung – ein Überblick

(Bild: ©wetzkaz - stock.adobe.com)

Der Serienschaden in der Rechtsschutzversicherung – ein Überblick

13. November 2024

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6 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Die sogenannte Serienschadenklausel spielt in der Praxis und auch in der Judikatur zur Rechtsschutz- und zur Haftpflichtversicherung gegenüber den „klassischen Streitbereichen“, wie etwa zur Festlegung des Versicherungsfalls, zur Interpretation von Risikoausschlüssen bzw. zum Umfang von primären Risikobeschreibungen und dgl. zwar eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch führen Themenstellungen rund um die Serienschadenklausel immer wieder zu Interpretationsfragen, mit denen sich der OGH – wie jüngst etwa in der Entscheidung 7 Ob 20/24b (versdb 2024, 22) zur Haftpflichtversicherung – auseinanderzusetzen hat.

Artikel von:

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien

Allgemeines und grundlegende Unterschiede der Serienschadenklausel in der Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherung

Beiden Regelungen – Serienschadenklausel in der Rechtsschutz- und in der Haftpflichtversicherung – ist gemein, dass sie die Leistungspflicht des Versicherers bewusst beschränken (Risikobegrenzungsklausel; siehe z.B. OGH 7 Ob 68/21g m.w.N. Siehe im Detail auch Gisch/Wetzelberger, versdb print 2022 H 9, 11 [Teil 1] sowie versdb print 2022 H 10, 4 [Teil 2]).

Die Serienschadenklausel der Allgemeinen Haftpflichtversicherung findet sich im Regime der Regelungen zum Versicherungsfall platziert, somit als Teil des Art. 1 AHVB. Dies ist insofern konsequent, als der Serienschaden in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung i.S.d. AHVB durch den Versicherungsfall bestimmt wird: Mehrere auf derselben Ursache beruhende Schadenereignisse gelten nach Art. 1.2. AHVB nämlich als ein Versicherungsfall; darüber hinaus gelten als ein Versicherungsfall Schadenereignisse, die auf gleichartigen, in zeitlichem Zusammenhang stehenden Ursachen beruhen, wenn zwischen diesen Ursachen ein rechtlicher, wirtschaftlicher oder technischer Zusammenhang besteht (Art. 1.2. Satz 2 AHVB). Die Serienschadenklausel in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung fasst im Wesentlichen also mehrere Schadenereignisse zu einem einzigen Versicherungsfall zusammen. Dies setzt nach der Rspr. Ursachenidentität voraus; diese liegt nur bei einer bloßen Multiplikation der Ursache ohne einen selbständigen Umsetzungsvorgang vor. Kommt es also zu weiteren selbständigen Umsetzungsvorgängen, beruhen die Verstöße nicht mehr auf „derselben“ Ursache (siehe zuletzt OGH 7 Ob 20/24b [versdb 2024, 22]; vgl. auch OGH 7 Ob 20/22z [versdb 2022, 37].

Die Serienschadenklausel der Rechtsschutzversicherung setzt hingegen nicht nur an den Regeln zum Versicherungsfall an, sondern bezieht weitere Elemente mit ein; zudem findet sich die Serienschadenklausel nicht bei den Regeln zum Versicherungsfall (Art. 2 ARB) angesiedelt, sondern als Teil der Regelung über die Versicherungssumme in Art. 6.7. ARB. Im Wesentlichen sind es drei Elemente, die die Serienschadenklausel in den ARB bestimmen (im Detail: Gisch, versdb print 2022 H 9, 11):

(a) die Regelung über die Versicherungssumme,

(b) über den Versicherungsfall sowie

(c) ein einheitlicher Lebensvorgang (einheitlicher Leistungsfall).

Die Versicherungssumme als Ausganspunkt

Die im Versicherungsvertrag vereinbarte Versicherungssumme stellt nach Art. 6.7.1. ARB für die Kostenleistungen des Versicherers die Höchstgrenze dar, die grundsätzlich pro Versicherungsfall zur Verfügung steht. Ihre Höhe richtet sich nach dem zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltenden Versicherungssumme und orientiert sich demnach nicht unbedingt nach der zuletzt vereinbarten Höhe. Dies ist im Rechtsschutzversicherungsbereich v.a. im Kontext des Versicherungsfalls nach der Verstoßtheorie i.S.d. Art 2.3. ARB bedeutsam, denn gerade im Regime der Verstoßtheorie kann der Versicherungsfall mitunter weit in der Vergangenheit liegen, sind doch jegliche hinreichend adäquate (zumindest behauptete) Verstöße des VN, des Gegners oder eines Dritten geeignet, den Versicherungsfall auszulösen (vgl. etwa RIS-Justiz RS0114001).

Mehrere Versicherungsfälle als weitere Bezugspunkte der Rechtsschutz-Serienschadenklausel

Während Art. 1.2. AHVB von einem (einzigen) Versicherungsfall ausgeht und den Serienschaden derart beschreibt, dass mehrere auf derselben Ursache beruhende Schadenereignisse als ein Versicherungsfall gelten, gehen die ARB einen anderen Weg: Nach Art. 6.7.2. ARB ist das Vorliegen mehrerer separater Versicherungsfälle, die in einer bestimmten Weise zusammenhängen, die Voraussetzung für die Anwendung der Rechtsschutz-Serienschadenklausel.

In der Praxis kommt i.d.Z. der Abgrenzung zwischen mehreren separaten Verstößen einerseits und einem einheitlichen Verstoß bzw. einem Dauerverstoß andererseits entscheidende Bedeutung zu. Der OGH stellt in stRspr. darauf ab, ob nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen war; ist dies das Fall, dann liegen regelmäßig nicht mehrere selbständige Verstöße vor, sondern ein einheitlicher Verstoß (bzw. ein Dauerverstoß) und damit ein einziger Versicherungsfall im Rechtssinn (siehe z.B. RIS-Justiz RS0111811. Vgl. im Detail auch Gisch, versdb print 2022 H 9, 11 und versdb print 2020 H 6, 4).

Einheitlicher Lebensvorgang als zentrales Verbindungselement

Nach der Definition des Art 6.7.2. ARB steht die Versicherungssumme bei mehreren Versicherungsfällen, die einen ursächlich und zeitlich zusammenhängenden, einheitlichen Vorgang darstellen, nur einmal zur Verfügung (= Serienschaden). Es geht also um das kumulative Vorliegen

  • eines ursächlichen Zusammenhangs zuzüglich
  • eines zeitlichen Zusammenhangs zuzüglich
  • eines einheitlichen Vorgangs.

Auch hier ist auf eine einzelfallbezogene Betrachtung abzustellen; dementsprechend allgemein gehalten und abstrakt formuliert der OGH die einschlägigen Rechtssätze: Es sei notwendig, dass die Versicherungsfälle nach Art 2.3. ARB einem Geschehnisablauf entspringen, der nach der Verkehrsauffassung als einheitlicher Lebensvorgang aufzufassen ist; zudem müsse der ursächliche Zusammenhang wohl iSe adäquaten Zurechnung gegeben sein (siehe etwa OGH 7 Ob 122/10g; OGH 7 Ob 22/11b).

Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact November-Ausgabe!

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