Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine der komplexesten Sparten – und steht gerade deshalb auch regelmäßig in der Kritik. Das Analysehaus Franke und Bornberg hat die Regulierungspraxis deutscher BU-Versicherer analysiert und kommt zu dem Fazit: Viele Vorurteile halten der Realität nicht stand.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 14.08.2019
„Von systematischer Leistungsverweigerung kann zumindest bei den teilnehmenden Gesellschaften keine Rede sein“, berichtet Michael Franke, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg. „Noch nicht einmal eine von fünf BU-Leistungsprüfungen endete mit einer Ablehnung; mehr als 80% der untersuchten Regulierungen sind zu Gunsten der Versicherten ausgefallen.“ Gleichwohl könne die Studie bei mehr als 14.000 Regulierungen natürlich nicht jeden einzelnen Fall analysieren.
In aller Regel bedingungsgemäße Anerkennungen
Von den Anerkennungen im Jahr 2017 erfolgten 92,7% bedingungsgemäß. Das ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr (86,5%). Weitere 5,3% (Vorjahr: 10,9%) erfolgten auf Basis einer individuellen Vereinbarung. Nur 2,0% der Fälle mussten vor Gericht entschieden werden. Im Jahr zuvor waren es noch 2,6%.
Die häufigsten Gründe für Ablehnungen
Die meisten Ablehnungen gehen laut Franke und Bornberg darauf zurück, dass Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllt waren wie etwa ein BU-Grad von mindestens 50% oder Anzeigepflichten verletzt wurden. Dabei handelte es sich meist um falsche oder fehlende Angaben zum Gesundheitszustand vor Vertragsabschluss. Anhaltspunkte für einen Zusammenhang von Rentenhöhe und Ablehnungsquote konnten die Analysten nicht finden.
Unterschiede in Bezug auf Alter und Krankheitsbilder
Je nach Krankheitsbild schwankt der Anteil der Anerkennungen deutlich. Bei Krebs (bösartige Neubildungen) haben die Versicherer über 90% der Anträge auf BU-Leistungen anerkannt. Bei psychischen Erkrankungen wurden hingegen mehr als ein Viertel aller Anträge abgelehnt. Die höchste BU-Leistungsquote findet sich bei den 54-Jährigen, die niedrigste bei Menschen von 32 Jahren. Bis zu diesem Alter ist die Ablehnungsquote fast immer höher als die Zahl der Anerkennungen. Ablehnungen bei Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und Bindegewebes (27,0%) sowie Kreislauferkrankungen (15,2%) liegen zwischen diesen beiden Polen.
Regulierungsdauer verharrt bei 180 Tagen
Bearbeitungszeiten ab Erstmeldung des Kunden sowie für die Auswertung des Fragebogens haben sich laut der Analyse verkürzt, nicht jedoch die gesamte Regulierungsdauer. Diese verharrt im Schnitt bei etwa 180 Tagen. Zwar gebe es auf der einen Seite Prozessverbesserungen, auf der anderen Seite aber auch negative Entwicklungen wie zum Beispiel beim durchschnittlichen Zeitaufwand von Gutachten. Psychiatrische Gutachten haben laut Franke und Bornberg zum Beispiel eine mittlere Durchlaufzeit von 105 Tagen.
Individuelle Prüfung erfordert mehr Zeit
„Der große Vorteil der Berufsunfähigkeitsversicherung, individuell auf den jeweiligen Beruf abgestellt zu sein, bringt einen zeitlichen Nachteil mit sich“, erläutert Michael Franke. Eine individuelle Prüfung erfordere jedoch deutlich mehr Zeit als ein schematisiertes Vorgehen wie beispielsweise zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente. „Über diesen Sachverhalt lohnt es sich zu sprechen. Höchstmögliche Transparenz ist das beste Mittel gegen pauschalisierte Vorwürfe.“ Daran mangele es jedoch noch deutlich.
Zur Studie
Der aktuellen Leistungspraxis-Studie zur Berufsunfähigkeitsversicherung von Franke und Bornberg liegen Daten der Allianz, AachenMünchener, ERGO, HDI, Nürnberger und Swiss Life zugrunde. Mit rund 32.800 Neuanmeldungen von BU-Leistungsfällen decken diese Versicherer in Deutschland gut die Hälfte aller Leistungsfälle des Jahres 2017 ab.
Quelle: AssCompact Deutschland; bearbeitet durch Redaktion Österreich
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